Text und Musik: „mündlich überliefert“ / gesammelt von Fritz Sotke
Arrangement: Alessandro Palmitessa (70%) und Menschensinfonieorchester (30%)
Musikalische Leiter und Produzent: Alessandro Palmitessa
Aufnahme und Mischung: Marc Weis, René Tinner in Conny’s Studio, Wolperath/Neunkirchen
Ton Techniker Assistent: Alexey Markov
Alessandro Palmitessa (Alt Saxophon und Keyboard), Heike Branca (Bass), Jürgen Baack, Gunter Niessen, Conny Hasselman, Christiane Niesel, Markus von Wrochem (Gesang), Christiane Niesel (Flügelhorn), Rita Luysberg (Flöte), Markus Von Wrochem (Geige), Erwin Grote (Gitarre), Fritz Habegger (Kisten-Bass), Frineé Gutierrez Martiney (Klavier), Jamal Aarass „Paco“, Chemal Ghome-Farej (Percussion), Matthias Schoo (Posaune), Michael Wex (Schlagzeug), Birgit Hantjes (Tenor Saxophon)
Während der NS-Zeit wurde das Lied quer durch alle Gruppen gesungen. Es ist beispielsweise belegt für einen evangelischen Bibelkreis in Hannover, den katholischen Jungfrauenverein Wuppertal wie überhaupt für katholische Jugendgruppen, die österreichischen Pfadfinder, die Kittelbachpiraten, die Kölner Navajos, aber auch für das Lager des Reichsarbeitsdienstes in Simmern. Es war, so erinnert sich beispielsweise Jean Jülich, auch unter den Kölner Edelweißpiraten allgemein bekannt. Ob das in der Originalversion oder – wie etwa in Wuppertal – in umgedichteter Form geschah („Wilde Gesellen vom Wupperstrand, verfolgt von Schirachs Banditen“) gilt es noch zu ergründen. Jedenfalls wandelten sich die „Wilden Gesellen“ offenbar mehr und mehr zu einem politischen Bekenntnislied, mit dem deutlich gegen Staat und Regime Stellung bezogen wurden. So wurde das Lied auch im Konzentrationslager Börgermoor gesungen und fand Eingang in das geheim geführte Liederbuch der Häftlinge im KZ Sachsenhausen.
Die „Wilden Gesellen“, so das Ergebnis, fanden zwar Eingang in HJ-Liederbücher, den ideologischen Vorgaben der Reichsjugendführung entsprachen sie aber sicherlich nicht. Statt Uniform ist von „Lumpen und Loden“ die Rede, und die Gesellen sind „ehrlos bis unter den Boden“, was mit der offiziellen HJ-Ideologie, der gerade „Ehre“ über alles ging, völlig unvereinbar war. Somit sind die „Wilden Gesellen“ ein klarer Beleg dafür, dass die HJ gerade in der Anfangsphase des NS-Regimes mangels eigner Substanz Lieder schlicht übernahm, ohne dass auf den Inhalt besondere Beachtung verschwendet wurde. In diesem Licht betrachtet dürfte es sich dann allerdings verbieten, aus den „Wilden Gesellen“ in der Rückschau ein nationalsozialistisch belastetes Lied zu konstruieren.
Das Menschensinfonieorchester setzt sich aus Profimusikern und Kölner Obdachlosen zusammen. 1999 auf Initiative des italienischen Saxofonisten, Klarinettisten und Komponisten Alessandro Palmitessa ins Leben gerufen, gibt es dieses nach Ansicht eines Journalisten „sonderbarste und vielleicht auch wunderbarste“ aller Sinfonieorchester allen Unkenrufen zum Trotz auch heute noch. Hier wird das gemeinsame Musizieren als Chance begriffen – alle nur denkbaren Probleme des Miteinanders inbegriffen. Probleme hatte beispielsweise Sänger Jürgen Baack in seinem Leben wahrlich genug. „Mit acht die Diagnose ‚hyperaktiv’, dann von den Eltern ins Heim für schwer Erziehbare geschickt. Später so durchgeboxt, mehr oder weniger wörtlich. Weggelaufen, beim Klauen erwischt, wieder ins Heim, wieder raus, in die Drogenszene, in den Knast, Therapie versucht, wieder raus, wieder Drogen ‚und irgendwann hat man dann zehn Jahre Knast abgemacht und fragt sich, wofür war dat eigentlich.“ Das ist die Kurzfassung seiner Lebensgeschichte, die er einem Journalisten erzählte.
In der Tat eine Truppe von „Wilden Gesellen“, denen es unter der behutsamen, aber beharrlichen Anleitung von Alessandro Palmitessa und unter Mitwirkung des legendären Can-Soundingenieurs Rene Tinner gelungen ist, ein kraftvolles Folkjazzrock-Orchesterstück zu kreieren. Es sei fast, „als wenn ein Pferd durch den Wald galoppiert“, meint Alessandro Palmitessa – und man kann ihm nur zustimmen. Ausgewählt hat er das Lied, man ahnt es bereits, weil es am ehesten zum Menschensinfonieorchester gepasst habe. Aber auch, weil er die Melodie, die ihn zu neuen Akkorden inspirierte, interessant fand. Dabei war es für die Gruppe, die ansonsten ausschließlich eigene Kompositionen spielt, eine „teilweise harte Erfahrung“, sich an einem vorgegebenen Stück zu versuchen.
Fidel Gewand in farbiger Pracht
Trefft keinen Zeisig ihr bunter,
Ob uns auch Speier und Spötter verlacht,
Uns geht die Sonne nicht unter.
Zieh´n wir dahin durch Braus und durch Brand,
Klopfen bei Veit und Velten.
Huldiges Herze und helfende Hand
Sind ja so selten, so selten.
Weiter uns wirbelt´s auf staubiger Straß´
Immer nur hurtig und munter.
Ob uns der eigene Bruder vergaß,
Uns geht die Sonne nicht unter.
Aber da draußen am Wegesrand,
Dort bei dem König der Dornen
klingen die Fiedeln im weiten Gebreit,
Klagen dem Herrn unser Carmen.
Und der Gekrönte sendet im Tau
Tröstende Tränen herunter.
Fort geht die Fahrt durch das wilde Verhau,
Uns geht die Sonne nicht unter.
Fort geht die Fahrt durch das wilde Verhau,
Uns geht die Sonne nicht unter.
Fort geht die Fahrt durch das wilde Verhau,
Uns geht die Sonne nicht unter.
Das MSO am Rhein (Mitte vorn: Alessandro Palmitessa) |
Kölner und Leverkusener Edelweißpiraten auf einer Rheinkribbe, um 1940 |