Jean Jülich : Es war in Schanghai

Text / Musik: trad. - Edelweißpiraten / trad.
Jean Jülich: Gesang und Gitarre
Aufnahme und Mix: Andreas Schilling im Nagelstudio Gilbachstraße 11

Es war in Shanghai gehört zu den vier Liedern, die uns Jean Jülich, „bekennender“, bekannter und überaus aktiver Kölner Edelweißpirat, als Aufnahme zur Verfügung gestellt hat, um jungen Musikerinnen und Musikern einen ersten und sehr lebendigen Eindruck von der damaligen Musikkultur zu vermitteln.

Das Lied ist trotz seines anrührenden und nach Freiheit „riechenden“ Inhalts ohne Neuinterpretation durch aktuelle Künstler geblieben, was wohl nicht zuletzt auf die schlichte Vollkommenheit der Jülich´schen Fassung zurückzuführen ist. Fast lakonisch und dennoch voll echter, gelebter Sehnsucht singt hier jemand eines der Lieblingslieder seiner Jugend. Und das war für seine Generation eine sehr harte Zeit, wo für nicht Angepasste oft wenig anderes blieb, als sich fort zu träumen in ein freieres, bunteres, weltoffeneres Leben in fernen Ländern und mit treuen Kameraden – Am erikanern, Franzosen, Mexikanern – oder wie Jean Jülich sagt: „Wir haben damals schon Lieder gesungen, die multi-kulti waren.“

Das Lied, so Jean Jülich rückblickend, sei eines der beliebtesten Tramperlieder gewesen und während des Krieges wohl von sämtlichen Edelweißpiraten gesungen worden. Nachgewiesen ist es in den Gestapoakten beispielsweise für eine sehr aktive Gruppe von Edelweißpiraten, die sich im Jahr 1942 regelmäßig am Leipziger Platz in Köln-Nippes trafen.

 

Jean Jülich wurde am 18. April 1929 in Köln geboren. Die Auswirkungen des neuen NS-Regimes erfuhr der gerade Sechsjährige sehr bald am eigenen Leibe, denn sein Vater, ein auch nach 1933 weiterhin tätiger Funktionär der Kommunistischen Partei, wurde 1935 zu einer zehnjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Jean wuchs bei seinen Großeltern auf.

1939 trat er in das „Deutsche Jungvolk“ ein, die Organisation der „Hitler-Jugend“, in der die zehn- bis Vierzehnjährigen zusammengefasst wurden. Dienst und militärischer Drill im Jungvolk stießen ihn jedoch sehr bald ab und er ging zunehmend auf Distanz.

1943 kamen der Vierzehnjährige und einige seiner Freunde in Kontakt mit älteren Edelweißpiraten. Die Jüngeren näherten sich den Edelweißpiraten immer weiter an, lernten das Gitarrespiel und die Liedtexte und traten schließlich – als die Älteren zu Reichsarbeitsdienst oder Wehrmacht eingezogen wurden – deren „Nachfolge“ an.

Auseinandersetzungen mit der HJ blieben dabei nicht aus, doch hielt das Jean Jülich nicht davon ab, sich mit anderen weiterhin in Parks und auf Plätzen in Köln zu treffen oder Fahrten in die Kölner Umgebung, insbesondere ins nahe gelegene Siebengebirge zu unternehmen. Außerdem kam er über seinen Freund Ferdi Steingass in Berührung mit der Steinbrück-Gruppe in Ehrenfeld, der auch einige Ehrenfelder Edelweißpiraten angehörten, die im Oktober 1944 verhaftet und am 11. November öffentlich und ohne Gerichtsverhandlung hingerichtet wurden.

In diesem Zusammenhang wurde auch Jean Jülich verhaftet und in Brauweiler inhaftiert. Vor den heranrückenden alliierten Truppen im Februar 1945 über Siegburg und Butzbach in die Haftanstalt Rockenbach verlegt, wurde er im März 1945 von am erikanischen Truppen befreit.

Jean Jülich lebt (und singt!) heute in Köln und im Bergischen Land. Wer sich näher über sein spannungs- und abwechslungsreiches Leben informieren möchte, kann das ausführlich tun, denn Ende 2003 ist seine Autobiografie erschienen: „’ Kohldampf, Knast un Kamelle’ - Ein Edelweißpirat erzählt aus seinem Leben“.

 

Es war in Schanghai
Um Mitternacht in der Ohio-Bar,
da trafen sich drei Tramper,
die durch die Welt gezogen war´n.
Jim Parker, der kam aus Frisco,
aus Hamburg der lange Hein
und Charly, der machte den Vorschlag:
„Kameraden, wir trampen zu drein.“

Auf einem Schoner
Fuhren sie hinüber nach Hawaii,
unter Kokospalmen
sangen leis ein Liedel, die drei,
ein Lied voll von Liebe und Treue,
ein Lied voll von Heimat und Glück,
doch keinen, den packte die Reue
und keiner, der sehnte sich zurück.

Es zog sie weiter,
bis hinunter an das schwarze Meer,
sie bohrten Öl und wurden Reiter
in Koltschaks weißem Freiheitsheer.
Sie schlugen sich durch Russlands Steppe
Bis hinunter an den Wolgastrand,
sie kämpften für Freiheit und Rechte
und für ein geknechtetes Land.

Ach Jim, ach Jimmy,
wir müssen nun verlassen dich,
dort drunten in der Taiga,
liegt ein Grab unter säuselndem Gebüsch.
Hier hast du nun endlich deinen Frieden,
hier hast du vom langen Trampen Ruh´,
doch wir müssen weiter nun ziehen,
immer weiter nach dem Süden zu.

Am Lagerfeuer,
ein Wind weht über die Prärie,
zur Klampfe greift der Mexikaner
und José sang ja wie noch nie.
Er sang von der dunklen Rose
und von der Puszta und Prärie,
und Charly, der kleine Franzose,
hatte Sehnsucht nach Paris.

Und weiter drunten
In einem unbekannten Afrika,
wo lichte Sterne funkeln,
weiß ich im Urwald noch ein Grab.
Ade, du mein lieber Charly,
warst mir immer ein guter Kamerad,
allein kehr zur Heimat ich wieder,
denn ich hab ja das Trampen so satt.

Kommst du nach Hamburg,
in die Hafenbar zum „Schwarzen Hai“,
da findest du bei Kümmel und Rum
den langen Hein, den Vagabund.
Er erzählt dir von Jimmy und Charly
und von der Puszta und Prärie
und denkt auch zurück gern an Schanghai,
wo sich dereinst trafen sie.

Jean Jülich um 1943/44 im Beethovenpark
Die Freunde vom Manderscheider Platz (Jean Jülich rechts, Ferdi „Fän“ Steingass links)
 
Jean Jülich - Es war in Schanghai La Papa Verde – Wir waren schon hier und dort Mr. Carl feat. Bantu - In Junkers Kneipe werle & stankowski – Wir saßen in Johnnys Spelunke Onejiru - Turm rmx Tanja i Towarischi - Schließ Aug und Ohr Tonshmide – Im Morgennebel Microphone Mafia feat. Shana – Tscherkessenlied Konterbande – Wenn die Sirenen in Hamburg erklingen Jean Harald „Sack“ Ziegler – Hohe Tannen Jean Bam Bam Babylon Bajasch – Do steht ene Schutzmann Sedlmeir – An Rhein und Ruhr marschieren wir Der Läufer – Der Turm Jona – Aus grauer Städte Mauern Menschensinfonieorchester – Wilde Gesellen „Mucki“ Koch, Peter und Helga Schäfer & SakkoKolonia - En der Blech Jülich & Schilling – Drei gute Kameraden (Hatte, Fate, Itz) Luana - Wenn die Sirenen in Hamburg ertönen (Zugabe)