Text: unbekannt
Originalmusik: Hermann Albert von Gordon
Neukomposition und Arrangement: Sedlmeir
Produziert von Sedlmeir mit freundlicher Unterstützung von Paul Smith und dem Burning Ear Studio.
Henning Sedlmeir (Musik und Gesang)
Die zweite Strophe der Sedlmeir-Interpretation ist ein modifizierter Bestandteil eines wohl um 1900/1910 entstandenen Liedes, das im Oberschlesischen als „Wollelied“ bekannt war und unter anderem von Frauen bei Fabrik- wie Heimarbeit gesungen worden sein soll.
Weitaus interessanter sind aber Entstehung und mehrfache Metamorphose des Titel gebenden Liedes „An Rhein und Ruhr marschieren wir“: Ursprünglich unter dem Titel „Argonnerwald um Mitternacht“ 1915 als Pionierlied im Ersten Weltkrieg entstanden, wurde es in den Jahren der Weimarer Republik zum kommunistischen Kampflied umgedichtet. Um 1933 „okkupierten“ die Nationalsozialisten das Lied, ersetzten einige Begriffe und zogen damit nun ihrerseits durch die Straßen.
Es verwundert eigentlich nicht, dass ein so ausgesprochen politisches Kampflied schließlich auch von den Edelweißpiraten aufgegriffen und insbesondere mit Stoßrichtung auf ihren Hauptgegner, den HJ-Streifendienst, umgetextet wurde. Die hier abgedruckte Version wurde nicht nur im Ruhrgebiet, sondern nachweislich auch in Köln gesungen.
KP-Version:
“An Rhein und Ruhr marschieren wir.
Für Rätedeutschland kämpfen wir!
Die Reaktion, brecht sie entzwei!
Rot Front marschiert –
Achtung – die Straße frei!“
NS-Version:
“An Rhein und Ruhr marschieren wir.
Für Adolf Hitler kämpfen wir!
Die rote Front, brecht sie entzwei!
HJ (oder: SA) marschiert –
Achtung – die Straße frei!“
EP-Version:
“An Rhein und Ruhr marschieren wir.
Für unsere Freiheit kämpfen wir!
Den Streifendienst, schlagt ihn entzwei!
Edelweiß marschiert –
Achtung – die Straße frei!“
Es fügt sich gut, dass „An Rhein und Ruhr marschieren wir“ mit Sedlmeir einen überaus kraftvollen Interpreten fand. Seine Entscheidung für das Lied stand schnell fest: „Der Text hatte sich sofort in meine Rock-Verwerter-Gehirnwindung hinein gebrannt.“ Das hatte jedoch nicht nur musikalische, sondern auch inhaltliche Gründe, stellte der Text doch eine unmissverständliche Kampfansage an das NS-Regime dar. „Er ist eine klare (Straßen-) Kampfansage an alle Mitläufer und Denunzianten. Das gefiel mir besonders gut.“ Er sei dabei stark an Texte von „Ton Steine Scherben“ oder „Slime“ erinnert worden. Sedlmeir weiter: „Die einfache ‚Stimme aus dem Volk’, die sich nicht in die Irre führen lässt, schon gar nicht duckmäusert und vor allem leben will - "An Rhein und Ruhr marschieren wir" hat den Geist von Rock'n'Roll, Punkrock oder HipHop vorweggenommen.“
Zunächst hatte Sedlmeir „die fixe Idee, den Song in Anlehnung an die Ausflüge der Edelweißpiraten ausschließlich mit Lagerfeuer-tauglichen Instrumenten aufzunehmen; also Bongos, Rassel, Mundharmonica, Gitarre.“ Das Ergebnis war allerdings wenig befriedigend, „und da ich sowieso nur E-Gitarre spiele, war der Stilbruch bereits vollzogen. Ich legte also noch ein bisschen elektronische Drums und Bass dazu, um dem Song mehr Druck zu verpassen. Für etwas mehr 'Outlaw'-Romantik fehlte noch so etwas wie eine Western-Gitarren-Melodie. Ich habe mir eine ausgedacht und viel Hall drauf gelegt.“
Fertig war die völlig neue Fassung eines alten Liedes, und das in kraftvoller Sedlmeir-Manier. „1 Mann, 3 Akkorde, 190 beats die Minute...“ verspricht er auf seiner Homepage. Während aber sonst normalerweise mit augenzwinkerndem Charme „gerockt, verarscht und übertrieben“ wird, findet sich hier nun eine ungewöhnlich ernste Umsetzung des kämpferischen Liedes der Edelweißpiraten - präsentiert vom „Hard Rock Roboter“, der „One-Man-Roadshow“ auf nur einem Quadratmeter.
Meister, gib uns die Papiere,
Meister, gib uns unser Geld,
denn die Frauen sind uns lieber,
als die Schufterei auf dieser Welt.
Unser Edelweißpiratenlager
liegt in Österreich auf einem Berg.
Und sollte es nur einer wagen,
zu uns zu kommen auf den Berg.
Wir werden sie herunterschlagen,
ob Gestapo oder Streifendienst,
denn unsere Edelweißpiraten
kennen keine feige List.
Höre, was wir Dir jetzt sagen,
unsere Heimat ist nicht mehr frei,
schwingt die Keule ja wie in alten Zeiten,
schlagt HJ., SA. den Schädel entzwei.
Sedlmeir |
Sedlmeir — gebannt lauschend beim Kaffeekränzchen im „Ladengold“. (v.l.n.r.: Peter und Helga Schäfer, Sedlmeir, Mucki Koch) |