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Das Jahr des Tigers

Bild der 05. Woche - 31. Januar bis 6. Februar 2022

anonym, Tiger und Bambus unter Kiefern mit Vögeln, Korea, Josoen-Dynastie (1392 – 1910), 18./19. Jh., Hängerolle, Tusche, Farben auf Seide, Museum für Ostasiatische Kunst, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken

Tigermotive finden sich bereits auf frühen Zeugnissen des chinesischen Kulturraums. Der Tiger ist der König unter den Landtieren. Er gilt als macht- und kraftvoll, mutig, grausam, impulsiv und gleichzeitig furchteinflößend. Es handelt sich also um ein Tier mit positiven wie auch zerstörerischen Eigenschaften. Die Raubkatze ist das dritte Tier der zwölf Jahrestiere und folgt auf den Büffel. Das Tigerjahr beginnt nach dem chinesischen Mondkalender am 1. Februar 2022. Es soll unberechenbar und mit extremen Höhen und Tiefen sein. Im Jahr des Tigers kann aber auch vieles, was gehemmt war oder aussichtslos erschien, wieder in Bewegung kommen.

Der chinesische Mondkalender wurde nicht nur in China verwendet, sondern auch in den Nachbarländern, die von China kulturell beeinflusst waren. In Korea nehmen Tiger sogar eine besondere Stellung in der Natur- und Kulturgeschichte ein. Sie waren bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in den Bergen Koreas beheimatet und sind Protagonisten vieler Legenden und Mythen.

Die mit Tusche und leichten Farben auf Seide bemalte koreanische Hängerolle aus der Sammlung des Museums für Ostasiatische Kunst zeigt im Vordergrund und als Hauptmotiv einen Tiger, der uns mit großen grünlichen Augen unter buschigen Augenbrauen direkt anblickt. Die kraftvolle Raubkatze wirkt wie zum Sprung bereit und steht unter einem knorrigen Kieferbaum. Die felsige Landschaft im Bildhintergrund ist mit knappen Tuschestrichen angedeutet. Über dem Tiger sitzt ein Elsternpaar auf einem Kiefernast. Der Vogel links ist nach unten geneigt und hat den Schnabel weit geöffnet, als ob er dem Tiger oder den Betrachtenden etwas zurufen würde.

Die Motivgruppe Tiger, Elstern und Kiefer war ein beliebtes Neujahrssujet auf koreanischen Malereien des 18. und 19. Jahrhunderts. Tiger- und Elsterbilder wurden auch als schutzbringende und unheilabwehrende Motive für das kommende Jahr von außen auf die Haustüren geklebt. In Ostasien gelten Elstern seit dem Altertum als Übermittlerinnen von Glück.

Die folgende Fabel veranschaulicht diese Eigenschaft:

Ein Holzfäller befreit einen Tiger aus einem Schlammloch, nachdem dieser dem Menschen versprochen hat, dass er ihn nach seiner Befreiung nicht angreifen und fressen wird. Nach seiner Rettung möchte der Tiger sein Versprechen jedoch nicht halten und holt den Rat von unterschiedlichen Wesen ein. Alle befragten Tiere und Pflanzen ermuntern den Tiger den Holzfäller, trotz des gegenteiligen Versprechens, zu töten und zu fressen, da, ihrer Erfahrung nach, die Menschen an sich böse und rücksichtlos gegenüber anderen Wesen seien. Zuletzt rettet eine Elster den Mann vor dem Tod, indem sie dem Tiger rät, so lange wieder zurück in das Schlammloch zu kriechen, bis es Beweise für die grausame Natur des Menschen gebe.

Die listige Elster trickst den Tiger aus und wird so zur Beschützerin der Menschen.

C. Stegmann-Rennert