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Ein Schokoladenfabrikant bringt den Film nach Köln

Bild der 04. Woche - 24. Januar bis 30. Januar 2022

Ludwig Stollwerk (1857 – 1922), Kölnisches Stadtmuseum, Inv.-Nr. 533.

Stellen Sie sich vor, es ist 1897 und es gibt etwas Neues in der Stadt zu entdecken: große gusseiserne Kästen mit einem Schlitz für ein 10 Pfennig-Stück. Im Portemonnaie finden Sie noch eine passende Münze und werfen diese ein. Plötzlich öffnet sich eine Türe und unter Musikbegleitung sowie elektrischer Beleuchtung erscheint eine Puppe, die euch mit einer Verbeugung ein Stück Schokolade überreicht. Sie haben soeben den »Gute Fee-Automat« der Gebrüder Stollwerck kennen gelernt. Doch wie kam es zu den Automaten und was hat ein Schokoladenhersteller mit Film zu tun?

Gebr. Stollwerck, Chocoladen- u. Zuckerwaaren-Fabriken, Köln

Am 22. Januar 1857 wurde Ludwig Stollwerck in Köln geboren. Ende 1871 nutzten er und seine vier Brüder den Wirtschaftaufschwung nach dem Sieg gegen Frankreich und gründeten auf Grundlage der »Mürbebäckerei« des Vaters die Firma Gebr. Stollwerck. Schnell zählt »Gebr. Stollwerck, Chocoladen- u. Zuckerwaaren-Fabriken, Köln« zu den führenden Schokoladenherstellern des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Ludwig sammelte zunächst als Leiter der englischen Vertretung in London Erfahrungen im Außendienst. Bald war er auch für die Außenwerbung der Firma und die Präsentation auf Gewerbeausstellungen zuständig. Dabei zeigte er sich im Gegensatz zu seinen Brüdern gegenüber neuen Erfindungen und Vermarktungsstrategien sehr aufgeschlossen.

Selbsttätige Verkaufsautomaten

1887 führte Ludwig die »selbsttätigen« Verkaufsautomaten für den Straßenverkauf von Schokolade ein. Sie standen auf Bahnsteigen und in Cafés, in Vergnügungslokalen, öffentlichen Parkanlagen und an beliebten Ausflugszielen. Bei Münzeinwurf spielten die Automaten wechselnde Melodien, durch eine kleine Klappe fielen den Passant*innen Schokolade, Bonbons und Pfefferminz in die Hand, aber auch Zigarren, Streichhölzer und Kölnisch Wasser. Die Automaten erfreuten sich großer Beliebtheit: Innerhalb von drei Jahren wurden über 18 Millionen Tafeln Schokolade auf diese Art verkauft. Weitere drei Jahre später hatten die Gebr. Stollwerck in Deutschland ca. 15 000 solcher Automaten gewinnbringend und werbewirksam installiert.
Schließlich gründete Ludwig Stollwerck 1895 die Deutsche Automaten-Gesellschaft Stollwerck & Co., kurz DAG genannt. Im August desselben Jahres wurde in Köln das erste Automaten-Magazin eröffnet – der Vorläufer der heutigen Spielesalons. Die Automaten boten gegen Münzeinwurf neben den bereits bekannten Produkten auch bewegte Bilder.

Von bewegten Bildern zur Kinomeile

Während die Verkaufsautomaten bereits für Begeisterung sorgten, konkurrierten in Frankreich, Deutschland, England und den Vereinigten Staaten schon Techniker, Fotografen und Ingenieure an der Fortentwicklung der laufenden Bilder. Als »Technik-Fan« investierte auch Ludwig Stollwerck Geld in die Forschung und verfolgte die Entwicklungen genau.
Im März 1896 besucht er in London eine Vorführung des Cinématographe Lumière und ist sofort von der Technik überzeugt. Schon kurze Zeit später erwirbt er von der Sociéte Lumière die Lizenz zur Präsentation eines ihrer Cinématographen und weiterer Apparate in Deutschland. Die Entscheidung lohnt sich, die neue Erfindung der »lebenden Photographie« zieht Tausende in ihren Bann. Die erste Vorführung findet übrigens in Köln statt, am 20.4.1896. Nach anfangs vier Cinématographen die von der DAG betrieben werden, stehen im Sommer 1896 bereits acht Apparate in Deutschland und begeistern das Publikum – für Geschäftsmann und Marketingmanager Ludwig ein gewinnbringendes Geschäft.

Nachdem es mit dem hochentzündlichen Filmmaterial zu zwei verheerenden Bränden bei Vorführungen gekommen war und die Schadenersatzklagen zu Unstimmigkeiten zwischen der französischen und der deutschen Firma führten, trennten sich Anfang 1897 die Wege der Geschäftspartner. Ludwig Stollwerck gründete ein Jahr später zusammen mit einer amerikanischen Firma die Deutsche Mutoskop und Biographgesellschaft.

1906 eröffnete die Gesellschaft in Köln an der Hohen Pforte 10 das erste feste Kino, das »Biographische Institut«. Die Fortentwicklung von Kameras und Projektoren ermöglichte längere Filme, weitere »Lichtspiel-Theater« etablierten sich. Die Hohe Straße entwickelte sich zur Kinomeile und die Lichtspielhäuser wurden immer prächtiger.

Und natürlich lief Stollwerck Werbung im Kino…

 

Eva Schoel