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Vor 27 Jahren – Erste Stolpersteinverlegung in Köln

Bild der 01. Woche - 3. Januar bis 9. Januar 2022

Stolpersteinverlegung am 21. März 2013 vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Moses, Elisenstraße 3, Foto: Barbara Becker-Jákli

Sie finden sich eingelassen im Bürgersteig, meist vor dem zuletzt frei gewählten Wohnort: Messingtäfelchen auf Steinquadern erinnern an Verfolgte, Vertriebene und Ermordete des nationalsozialistischen Regimes. Über 75 000 «Stolpersteine« des Künstlers Gunter Demnig sind mittlerweile in 21 Ländern Europas verlegt. Sie gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt.
Zahlreiche Vereine oder Städte rufen regelmäßig zum Putzen der Stolpersteine auf und setzen damit ein Zeichen gegen das Vergessen.

Am 4. Januar 1995 wurden die ersten Stolpersteine in Köln verlegt – jedoch ohne Genehmigung der Behörden. Insgesamt verlegte Gunter Demnig an diesem Tag neun Stolpersteine in der Thieboldsgasse 8: Es handelte sich um vier Sinti*zze und vier Rom*nja, ihre Namen blieben anonym. Vier von ihnen wurden am 21. Mai 1940 aus Köln deportiert. Fünf wurden im März 1943 nach Auschwitz-Birkenau in das dortige »Zigeunerlager« deportiert. Die wenigen überlieferten Fotos dieser ersten Verlegung zeigen, dass dieses doch durchaus historisch zu nennendes Ereignis kaum beachtet wurde. Jahre später erinnert sich der Künstler an die Aktion, die er mit folgenden Worten begründete: »Mir kommt es darauf an, dass unausweichlich jeder immer wieder konfrontiert wird mit dem, was normale Kölner damals machten und was alle sahen, alle duldeten, in ihren Vierteln, in ihren Häusern: das Abschleppen ihrer Nachbarn.« Erst im Jahr 2000 wurde das Projekt auch offiziell unterstützt.

Auf dem Bild ist die Verlegung der vier Stolpersteine für die Familie Moses in der Elisenstraße 3 zu sehen, die am 21. März 2013 stattfand. Gleich um die Ecke des EL-DE-Hauses wohnten Dr. Salli Moses (*1861) und seine Ehefrau Luise Moses, geb. Rothschild (*1871), mit ihrer Tochter, der Kunsthistorikerin Dr. Elisabeth Moses (*1894). Neben der Familienwohnung hatte Dr. Salli Moses hier eine große Praxis für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. Der Sohn Dr. Paul Moses (*1897) lebte nur wenige Meter entfernt in der Elisenstraße 24. Er führte dort ebenfalls eine Praxis als HNO-Facharzt. Wie sein Vater war er außerdem am Israelitischen Asyl für Kranke und Altersschwache in der Ottostraße in Köln-Ehrenfeld tätig. Elisabeth Moses war nach ihrer Promotion in Kunstgeschichte als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln (heute Museum für Angewandte Kunst) sowie in der Sammlung Alte Gemälde am Wallraf-Richartz-Museum tätig.

Bereits kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialist*innen bekam die Familie antisemitische Repressionen zu spüren. Ende März 1933 wurde Elisabeth Moses von der Stadt Köln entlassen. Sie verließ Deutschland und emigrierte über Italien in die USA, wohin ihr die Eltern und der Bruder 1937 folgten.

Im Sommer 2021 begaben sich Nachfahren der Familie Moses auf Spuren ihrer Vorfahren und besuchten das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, das MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln und die Stolpersteine, die für ihre Urgroßeltern, für ihren Großvater und für ihre Großtante verlegt wurden. Sie betonten bei ihrem Besuch, dass es ihnen wichtig sei, dass an das Schicksal ihrer Vorfahren erinnert werde. Auf die geplante gemeinsame App des NS-DOKs und des MiQuas, bei der eine Station die Elisenstraße 3 sein wird, sind sie besonders gespannt.

 

Charlotte Pinon