Bild der 47. Woche - 23. November bis 29. November 2020
Nicht mehr als 13 Quadratkilometer misst die »Serenissima Repubblica di San Marco (Die Durchlauchtigste Republik des hl. Marco)«. Mit ihrer Ausstrahlung, ihren Kanälen, den herrschaftlichen Palästen – Relikte der wirtschaftlichen Blüte im Mittelalter – und ihrem Karneval verdrängt Venedig, die Hauptstadt der Republik, im 19. Jahrhundert sogar das ewige Rom vom Spitzenplatz der schönsten Metropolen Italiens.
»Man kann aus Venedig nicht abreisen, ohne sofort wiederkommen zu wollen«, schwärmt der Maler Claude Monet. Die stets vom Untergang bedrohte Lagunenstadt befeuert die Fantasie der Romantiker und Impressionisten. Auch der aus Erfurt stammende Friedrich Nerly (1807 – 1878) verfällt der Stadt, ihrem Licht, ihren Farben und bleibt ihr treu. Mehr als vier Jahrzehnte lebt er in der Serenissima und stillt mit seinen Gemälden und Aquarellen die allgemein grassierende Italiensehnsucht. Der »Porträtist Venedigs« lebt gut davon. Zur Freude der in Scharen in die Stadt einfallenden Bildungstourist*innen zählen zu dessen liebsten Motiven die bekannten Sehenswürdigkeiten: Dogenpalast und Piazzetta, Piazza San Marco samt Markuskirche und der Canal Grande mit den prunkvollen Palazzi. Die bis heute ungebrochene Zuneigung der Reisenden ist für die Einheimischen Segen und Fluch zugleich – etwa 50 000 wohnen in der Stadt, die jährlich an die 30 Millionen Reisende besuchen. So hat La Serenissima mit vielen Problemen zu kämpfen – den Menschenmassen, dem Absacken ihrer Gebäude, dem Verfall der Kulturschätze, steigenden Pegelständen und Jahrhundert-Hochwassern als Folge des Klimawandels. Und um zumindest nicht vollends zum Vergnügungspark à la Disneyland zu verkommen, greift die Verwaltung inzwischen zu rabiateren Mitteln: Eintrittsgelder für Tagestouristen, Strafen für Fehlverhalten wie für das Bad in den Kanälen und für eine allzu legere Kleiderordnung der durchs Gedränge Flanierenden.
R. Müller