Bild der 21. Woche - 20. bis 27. Mai 2002
Geschichte Die sogenannte Aquatinta - früher auch als Tuschmanier bezeichnet - wurde um die Mitte des 18. Jahrhundert entwickelt und von Jean Baptiste Le Prince (1734 - 1781) - Maler, Kupferstecher und Radierer - erstmals erfolgreich angewandt. Als Beispiel zeigen wir Ihnen von Le Prince sein Werk "Die Rast der Kalmücken" von 1771. Die Kalmücken sind ein westmongolisches Volk, das seit 1632 an der unteren Wolga ansässig war. Von dort zogen sie 1771 unter hohen Wanderungsverlusten zurück in die Dsungarei. Das Wort Aquatinta setzt sich zusammen aus den Begriffen aquis fortis (= Säure) und tinta (=Farbe, Bezeichnung für den dunklen Plattenton). Die graphische Wirkung der Aquatinta ist vergleichbar mit der einer getuschten Pinselzeichnung. Francisco Goya, dessen Desastres de la Guerra wir Ihnen in der letzten Folge unserer Serie "Meisterwerke der Druckgraphik" (BdW 16/2002) vorstellt haben, kam zu beispielhaften Formulierungen dieses Verfahrens. Technik Anders als beim Kupferstich und der (Kaltnadel-)Radierung (s. BdW 50/2001), deren Ausdrucksmittel die Linie ist, geht es bei der Aquatinta vorrangig um die Erzeugung von Halbtönen. Diese jedoch lassen sich nur als kalkulierter Hell-Dunkel-Kontrast erzeugen. Hierfür wird die Druckplatte in einem eigens dafür konstruierten Kasten - dem sogenannten Staubkasten - mit einer möglichst gleichmäßigen Schicht säurefesten Staubs - bestehend aus Harz, Asphalt oder Kollophonium - bedeckt (s. kleines Bild obere Reihe). Mit einem Blasebalg oder Gebläse wird der Staub im Kasten verwirbelt. Nachdem sich die gröbsten Staubteilchen gesetzt haben, wird die Druckplatte in den Kasten eingeführt. Die feineren Staubpartikel setzen sich jetzt gleichmäßig auf der Platte ab und bilden eine homogene Schicht. Die Körnung des Staubes, die Positionierung der Platte im Kasten und die Dauer der Prozedur bestimmt die Beschaffenheit der Staublage und damit später der Charakter der Graustufe. Hat die Staubschicht die gewünschte Dichte erreicht, wird die Platte vorsichtig aus dem Kasten herausgenommen. Die Plattenunterseite wird jetzt leicht erwärmt, damit der Staub leicht anschmilzt und an der Platte haften bleibt. Ein Zerfliessen des Staubes würde das Druckbild komplett verändern, was ein bisweilen erwünscher Effekt ist (s. kleines Bild untere Reihe). Jetzt folgt der Ätzvorgang, bei dem Säure - vergleichbar mit der Radierung - Vertiefungen in die Kupferplatte frißt. Die Säure greift nur die mikroskopisch kleinen Zwischenräumen zwischen den angeschmolzenen Staubkörnern an. In der Vergrößerung würde diese Struktur an ein engmaschiges Netz erinnern. Mit der Dauer der Ätzung wird deren Tiefe und damit später die Dunkelheit des Druckes variiert, was wiederum den Charakter des Blattes beeinflußt. Der Druck von einer derart einheitlich vorbereiteten Platte würde eine gleichmäßig graue Fläche abbilden, erzeugt durch den Schwarz-Weiss-Kontrast der Oberflächenstruktur. Durch gezieltes Abdecken bestimmter Partien der Platte mit einem Asphalt-Lack kann der Radierer jetzt den Grauton von Partie zu Partie verändern und eine Vielzahl von Graustufen erzielen (Prinzip der Stufen-Ätzung). Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: a) man arbeitet vom Dunkel ins Helle oder b) vom Hellen ins Dunkel. Zu a): Es werden auf der blanken Platte die Stellen, die weiß bleiben sollen, abgedeckt, die Platte anschließend bestaubt und dann kurz geätzt. Ein erster heller Grauton ensteht. Jetzt lassen sich schrittweise weitere Partien abdecken. Die freibleibenden Partien werden erneut der Säure ausgesetzt, die Ätzungen entsprechend tiefer. Der wiederholte Vorgang erzeugt hierbei dann die unterschiedlichen Graustufen. Zu b): Auf dem umgekehrten Weg wird die bestaubte Platte zunächst komplett mit Deckfirniß abgedeckt um dann vor jedem neuen Ätzen schrittweise die Partien der Firnißschicht herauszuwaschen, die dunkler werden sollen. In den meisten Fällen ist vor der Anlage einer Aquatinta - wie bei unserem Bild zu sehen - bereits eine lineare Radierung angelegt worden, waren so abgrenzbare Flächen bereits vorgegeben. Legt man hierüber jetzt die Aquatinta an, ließen sich durch das stufenweise Ätzen die erwünschten Grauabstufungen erzeugen. Vor dem Druck wird schließlich in jedem Fall die Platte von allen Abdeckungen gereinigt, eingefärbt und abschließend ausgewischt. Die Farbe bleibt in den für das Tiefdruckverfahren typischen Vertiefungen hängen und ergibt das Druckbild. Aufgrund der Feinheit der Reliefstruktur können von einer Aquatintaplatte kaum mehr als 100 qualitätvolle Abzüge gemacht werden.
O. Mextorf