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Hölzernes Kleinod

Bild der 10. Woche - 4. bis 11. März 2002

Brüsseler Schnitzaltar, Brabant, Anfang 16. Jhr. (Jan Borman d. J.), Eichenholz, polychrom gefaßt und vergoldet, H: 100 B: 94 T: 20 cm Museum Schnütgen, Köln
Brüsseler Schnitzaltar, Brabant, Anfang 16. Jhr. (Jan Borman d. J.), Eichenholz, polychrom gefaßt und vergoldet, H: 100 B: 94 T: 20 cm Museum Schnütgen, Köln

Der jüngste Neuzugang im Museum Schnütgen ist ein Brüsseler Schnitzaltar, der ursprünglich wohl für eine sehr repräsentative Hauskapelle in einem patrizischen oder fürstlichen Umfeld geschaffen wurde. Die Werkstattmarken, zweimal ein Kompaß und einmal ein Hammer, deuten auf den Umkreis eines der bekanntesten Brüsseler Bildschnitzer oder Kunstunternehmer der Zeit um 1500-1520, Jan Borman d. J. hin. Bedingt durch eine seit dem 15. Jahrhundert stetig ansteigenden Nachfrage nach Altären für die private Frömmigkeit, entstand in Antwerpen und Brüssel eine regelrechte Exportproduktion hochwertiger Bilderaltäre, deren Schnitzereien in aufwendigster Weise farbig gefasst und vergoldet waren. Das Brüsseler Altärchen besticht durch seine lebensnahe Darstellung mit rund vierzig handelnden Menschen und Engeln, Pferden und Hunden - aber ebenso durch die nahezu perfekt erhaltene Oberfläche. In den drei figurenreichen Szenen sind die Kreuztragung, die Kreuzigung Christi und seine Abnahme vom Kreuz (s. Detailbild) in lebhaftem Detail geschildert. Das Motiv des Kalvarienberges diente dem Mittelalter schon früh zur religiösen Andacht und wurde als legitimer Ersatz für Pilgerreisen ins Heilige Land verstanden. Dem Zeitstil entsprechend werden die heilsgeschichtlichen Zusammenhänge den Gläubigen in der Art von religiösen Theaterstücken im zeitgenössischen Kostüm, in einer bühnenartig gestaffelten Raumkomposition geschildert. Die Figuren erhalten darüber hinaus individuelle Züge und werden mit einer expressiven Gestik und Mimik ausgestattet. In dem dadurch aufgezeigten neuen Selbstverständnis des Menschen kündigt sich das Ende des Mittelalters und der Beginn einer neuen Epoche an. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein sehr gut erhaltenes vollständiges Schnitzwerk handelt, nimmt dieses Werk in der noch wenig erforschten Gruppe der Brüsseler Schnitzaltäre einen Spitzenplatz ein.

R. Schymiczek