Die Kälte des Lebens

Bild der 3. Woche - 14. bis 21. Januar 2002

Caspar David Friedrich, Eiche im Schnee, um 1827/28 Leinwand, 44 x 34,5 cm, Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud WRM 2666
Caspar David Friedrich, Studien einer Eiche (Detail), 1806 und 1809

Caspar David Friedrich (1774 - 1840), der Maler dieses kleinen Bildes im Kölner Wallraf-Richartz-Museum - Fondation Corboud, gilt heute als bedeutendster Maler der deutschen Romantik, die man zeitlich zwischen 1790 und 1830 einordnet. Die wesentlichen Neuerungen, die Friedrich in die Landschaftsmalerei einführte, waren zum einen die Hinwendung zur heimatlichen nördlichen Landschaft - im Gegensatz zu seinen Kollegen der früheren Generationen, die stets die klassischen südlichen Landschaften in der Tradition des französischen Malers Claude Lorrain bevorzugten. Neu war zum anderen auch, daß Friedrich die Landschaft als wichtigstes Medium für die inhaltliche Botschaft des Bildes einsetzte - eine Rolle, die zuvor fast immer die handelnden Figuren gespielt hatten. Die Hauptrolle in unserem Bild aber spielt ganz offensichtlich die mächtige Eiche, die den menschenleeren Bildraum fast vollständig ausfüllt. In einer überaus sorgfältigen Feinmalerei, wie wir sie besonders aus den Niederlanden des 17. Jahrhunderts kennen, hat Friedrich jeden noch so filigranen Zweig des Baumes illusionistisch wiedergegeben, und auch die karge Winterlandschaft mit ihrem von kaltem Dunst verschleierten Wald erscheint uns beinahe fotografisch genau. Diese Genauigkeit verdankt sich Friedrichs Naturstudium. So haben sich zwei Zeichnungen erhalten, welche Friedrich in der Natur von unserem Baum und den beiden toten Ästen im Bildvordergrund gezeichnet hat (kleines Bild). Man kann seinen schriftlich überlieferten Deutungen entnehmen, daß Friedrichs Landschaften keine bloßen Landschaftsporträts sind, sondern vielschichtige Ideen symbolisieren, vor allem aus den Themenkreisen von Religion und Geschichte. In diesem Sinne könnte unsere "Eiche im Schnee" etwa folgendermaßen verstanden werden: Die Eiche ist ein Sinnbild für das einzelne menschliche Leben, das der Natur und ihren Unbilden ausgesetzt ist und - wie die abgestorbenen Äste - sterben wird, und selbst das mächtigste Leben kann diesem Schicksal nicht entgehen.

G. Herzog