Neben und hinter der Krippe

Bild der 52. Woche - 24. bis 31. Dezember 2001

Jan de Beer, Geburt Christi - Mitteltafel eines Altares, um 1520/25, Eichenholz, 73 x 56,3 cm, Wallraf-Richartz-Museum - Fondation Corboud, WRM 0480
 
 
 
 

überlieferung und Darstellung der Geburt Christi hat sich im Gang durch die Jahrhunderte in Stil und Beiwerk immer wieder verändert. Dem Bericht des Evangelisten Lukas (Lk 2,1-20) wurden ausschmückende und nicht zuletzt das Geschehen symbolisch ausdeutende Erzählungen, Personen, Tiere und Gegenstände hinzugefügt: Ochs und Esel sind ein allgemein bekanntes Beispiel hierfür. Im Laufe der Zeit gingen jedoch auch viele dieser frommen Ergänzungen verloren, indem sie dem Bewußtsein der Menschen und der weitererzählten Tradition entschwanden. Erhalten blieben die Erzählungen der jeweiligen Zeit jedoch auf Gemälde. So schildern mittelalterliche Tafelbilder die Geburtsdarstellung in ausschmückenden und das Ereignis deutenden Details. Nachdem in einem der früheren Bilder der Woche die Wappen der Heiligen Drei Könige zur Sprache kamen, sollen heute anhand einer Geburtsdarstellung des Jan de Beer im Wallraf-Richartz-Museum - Fondation Corboud, eine Reihe solcher "Schmuckdetails" vorgestellt werden. HEBAMMEN Unter dem Bogen sind die zwei Hebammen zu sehen, nach denen Joseph geschickt hatte, damit sie Maria bei der Geburt beistehen sollten. Die Hebammen, meistens werden sie Salome und Zebel genannt, kommen jedoch nicht rechtzeitig. Maria hat ihren Sohn bereits geboren, und Salome zweifelt an der Jungfräulichkeit Mariens. Im Protoevangelium des Jakobus, das nicht zu den kanonischen Evangelien gehört und im 2. Jh. entstanden ist, heißt es: So wahr der Herr, mein Gott, lebt, wenn ich nicht meinen Finger hinlege und ihren Zustand untersuche, so werde ich nicht glauben, daß eine Jungfrau geboren hat." Und Salome ging hinein (...) und legte ihren Finger hin und erhob ein Wehgeschrei und sprach: "Ich habe den lebendigen Gott versucht; und siehe meine Hand fällt durch Feuer verzehrt von mir ab!" Und sie betete zum Herrn." Im Mittelalter betreuten Hebammen sämtliche Handlungen, die vor, während und nach der Geburt zu verrichten waren. Erst in der späten Neuzeit, übernehmen Ärzte diesen Teil der medizinischen Betreuung. Salome will prüfen, ob die Gottesmutter wirklich Jungfrau geblieben sei. Und tatsächlich gehörte die Überprüfung der Jungfräulichkeit, z.B. im Verlauf von juristischen Auseinandersetzungen, zu den Aufgaben der Hebammen im Mittelalter. So wurden etwa im Verlauf des Prozesses der Johanna von Orléans Hebammen beauftragt, die Jungfräulichkeit Johannas zu prüfen. KATZE In der Nähe des wärmenden Feuers sitzt eine weiße Katze. Im Volksglauben sind weiße Katzen Glücksbringer, insofern fügt sich die Katze in den Gesamtzusammenhang des Bildes ein. Mit ihren scharfen Augen durchdringen Katzen die Dunkelheit, was sie in die ausgepägte Lichtsymbolik des Bildes einbindet (z. B. das Kind leuchtet selbst und erleuchtet die gesamte Darstellung). Darüber hinaus sei hier eine weitere Deutung der Katze vorgeschlagen: Katzen schnurren bisweilen während der Geburt. Obgleich es sich bei diesem Schnurren kaum um Laute des Wohlbefindens handeln dürfte, wird das Schnurren landläufig so gedeutet. Damit wäre die Katze ein Verweis auf die leichte Geburt, die Maria erlebte, denn in den sehr populären Visionen der Hl. Birgitta von Schweden heißt es über die Geburt Jesu "... und plötzlich in einen einzigen Augenblick, gebar sie ihren Sohn. ... So plötzlich und augenblicklich war diese Geburt, daß ich nicht wahrnehmen konnte, auf welche Weise sie geschah. (...) Als die Jungfrau fühlte, daß sie schon geboren hatte, neigte sie das Haupt, faltete die Hände und betete den Knaben mit großer Ehrfurcht an." KANNE UND SCHüSSEL Hinter der Muttergottes ist ein Tisch sichtbar, auf dem stillebenhaft eine tönerne Kanne sowie ein tiefer, ebenfalls irdener, Teller mit einem Löffel stehen. Vielleicht handelt es sich bei dem Teller, der mit Brei gefüllt ist, um einen Verweis auf Joseph als Ziehvater des Jesuskindes. Josephs Bedeutung innerhalb der Theologie und Frömmigkeit nimmt im Verlauf des 15. Jhs. ständig zu, was sich auch in der bildenden Kunst niederschlägt. Joseph entwickelt sich von einer passiven Nebenrolle hin zum treusorgenden Ziehvater und Nährvater Jesu. Diese Rolle als "nutritor Christi" wird in Bildern manchmal dadurch verdeutlicht, daß der Heilige Joseph dem Jesuskind einen Brei kocht. Im germanische Recht mußte ein neugeborenes Kind durch den Vater anerkannt werden. Sorgehandlungen um das neugeborene Kind, wie das Kochen von Brei, das Bereitstellen der Windeln und dergleichen stellen eine rechtliche Anerkennung des Kindes dar. Im Kontext solcher Sorgehandlungen, könnte auch der Breiteller auf Jan de Beers Tafel zu deuten sein. Der Breiteller läßt aber noch eine weitere Interpretation zu. Paulus schreibt im dritten Kapitel des ersten Korintherbriefes: "Milch habe ich euch zu trinken gegeben, und nicht feste Speise; denn ihr konntet sie noch nicht vertragen." Paulus vergleicht das wirkliche Verstehen der Frohen Botschaft mit dem Genuß flüssiger bzw. fester Nahrung. Milch und Brei, das sind die ersten, leicht verdaulichen Nahrungsmittel. Die feste Nahrung, die kommt erst später. Auch wir, die wir von den Wundern der Christgeburt und den Lehren Jesu hören und lernen sollen, bleiben letztlich Anfänger im Glauben, die leicher Kost bedürfen. EI Neben dem Feuer, das hinter Maria zu sehen ist, liegt ein weißes Ei. In vergangenen Zeiten war es üblich, Eier in der Glut des Herdfeuers zu garen. Insofern ist das Ei am Feuer eine genrehafte Darstellung aus dem mittelalterlichen Alltagsleben. Daneben lassen sich aber weitere Bedeutungsebenen aufzeigen. So ist das Ei seit altersher Fruchtbarkeitssymbol, und es werden ihm Unheil abwendende Eigenschaften nachgesagt. Schließlich gibt es den Volksglauben, daß das Verzehren von Eiern am Weihnachtstag stark mache. Apotropäische, also das Unheil abwehrende, Wirkung und das weihnachtliche Eieressen fügen sich gut in die Darstellung der Geburt Jesu ein, denn wer würde dem Christkind nicht wünschen behütet aufzuwachsen und stark zu werden?

Th. BlisniewskiT. Nagel