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Der schöne Ganymed

Bild der 05. Woche - 29. Januar bis 4. Februar 2024

Kerstiaen de Keuninck, Landschaft mit der Entführung des Ganymed, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Inv.-Nr. WRM 1486

Eine satte, märchengleiche Landschaft erstreckt sich vor dem Betrachter - doch hier zählt das Detail: Am Himmel fliegt ein großer Adler, auf dessen Rücken ein junger Mann zu erkennen ist. Wir sehen hier die Entführung des schönen Ganymed.

Laut der griechischen Mythologie bemerkt der Göttervater Zeus den jungen und außerordentlich schönen Jüngling Ganymed auf dem Berg Ida in Phrygien beim Schafe hüten.Beeindruckt von Ganymeds Anmut und Schönheit beschließt Zeus, ihn zu sich auf den Olymp zu holen. Zu diesem Zweck verwandelt sich Zeus in einen Adler und entführt Ganymed. In einigen Versionen der Geschichte geschieht dies mit dem Einverständnis und sogar dem Wunsch Ganymeds, in anderen Varianten geschieht die Entführung gegen seinen Willen.

Das Bildmotiv ist ein in der Kunstgeschichte immer wiederkehrendes Thema. Diese mythologische Erzählung wird oft als Allegorie der Liebe interpretiert, aber es gibt auch eine eindeutige homosexuelle Lesart.

In der antiken griechischen Kultur war Homosexualität, insbesondere zwischen erwachsenen Männern und jungen Jünglingen, nicht so tabuisiert wie in späteren Epochen. Der Mythos von Ganymed spiegelt diese Akzeptanz wider, da Zeus den schönen Jüngling als Gefährten und Liebhaber wählt. Diese Beziehung zwischen einem göttlichen Wesen und einem Sterblichen wird oft als Symbol für die Schönheit und Anziehungskraft der männlichen Jugend gesehen.

Zahlreiche Künstler haben, darunter auch der hier gezeigte Kerstiaen de Keuninck, ein flämischer Maler des 16. Jahrhunderts, das Motiv der "Entführung des Ganymed" aufgegriffen und ihre eigenen Interpretationen geschaffen. Die Darstellungen reichen von idealisierten, ätherischen Szenen bis hin zu sinnlichen und leidenschaftlichen Darstellungen.

Die Deutung des Bildmotivs als gleichgeschlechtliche Liebe weist auf kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung von Liebe und Sexualität hin. Heute wird das Motiv oft als Feier der Vielfalt und Akzeptanz der Liebe in all ihren Formen verstanden. Es bietet Raum für Diskussionen über kulturelle Normen, historische Perspektiven und den Wandel gesellschaftlicher Einstellungen zu Geschlecht und Sexualität.

A. Borggrefe