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Bild der 14. Woche - 5. April bis 11. April 2021
Mit der Osterruhe war das ja von Anfang an so eine Sache. Wie war das noch mal? Es wird gelitten, gestorben und begraben. Damit verbunden sind die stillen Tage: Karfreitag und Karsamstag, an denen der Ruhe Christi im Grab gedacht wird. Ostersonntag und Ostermontag dagegen sind alles andere als ruhig: Es sind die freudigen Tag, an den die Auferstehung gefeiert wird.
Wie das mit der Auferstehung vor sich ging, hat sich die christliche Kunst des Mittelalters immer wieder sehr bildlich vorgestellt. So auch in dieser prächtigen Buchmalerei, die sich in einer liturgischen Handschrift aus dem 16. Jahrhundert findet, und heute im Museum Schnütgen verwahrt wird.
Ausgeschmückt wird hier eine Initiale. Aus violetten, weißen Ästen, Ranken und Blättern baut sich auf Goldgrund ein imposanter Buchstabenkörper auf. Er ist bewohnt von einer szenischen Darstellung. Die Betrachtenden werden zu Zeug*innen, wie Christus siegreich den Tod überwindet und just in diesem Moment aus dem Sarkophag steigt. Als Zeichen seines Sieges trägt er in seiner linken Hand einen Kreuzstab mit Kreuzfahne, während er seine rechte Hand zum Segens Gestus erhoben hat.
Schaut man genauer hin, ist sein Körper noch von den vorgehenden Leiden gezeichnet. Beide Hände weisen Wunden auf, die die Nägel verursacht haben mit denen er ans Kreuz geschlagen wurde. Diese Wunden nennt man Stigmata. Unterhalb seiner rechten Brust zeichnet sich der dünne rote Strich der Seitenwunde ab, die ihm der römische Soldat Longinus zugefügt haben soll. Die Wunden und das Blut führen vor Augen, dass Gottes Sohn Mensch geworden ist. Und trotzdem geschieht das Wunder: Am dritten Tage steht er von den Toten auf. Ein Ereignis, das bis heute auf der ganzen Welt gefeiert wird und in der Kunst unzählige Male ins Bild gesetzt wurde, von dem aber niemand unmittelbarer Zeuge war. In der Bibel verweist zunächst nur das leere Grab auf das Wunder der Auferstehung. Die drei Frauen im Bildhintergrund, die aus der Stadt Richtung Grab laufen, werden es später leer vorfinden. Die Evangelien berichten, dass der Auferstandene sich ausgewählten Menschen zeigt. Im Bild jedoch gibt es keine Zeugen: Die Wachen am Grabe schlafen. Einzig ein kleiner Engel, der auf der halb zur Seite geschobenen Deckplatte sitzt, beobachtet das Geschehen. Und jetzt auch: die Leser dieser Handschrift.
Dieser Versuch intimer Zeugenschaft durch Illustration stammt aus dem um 1520/30 entstandenen Antiphonar der Anna Hachenberch und ziert das erste Blatt zum Osterfest. Ein Antiphonar ist ein liturgisches Buch. Es enthält Noten und Texte der Wechselgesänge eines Jahres und hat oft ganz beträchtliche Ausmaße, damit mehre Vorsänger*innen im Chor gleichzeitig alles gut lesen konnten.
Wer diese Anna Hachenberch gewesen ist, die sich in einem kleinen eingeklebten Pergamentstreifen selbst als Schreiberin zu erkennen gibt, wissen wir heute nicht mehr. Wir wissen aber, dass dieses Buch ursprünglich für die Klosterkirche St. Cäcilien angefertigt wurde – also genau für jene Kirche, die heute das Museum Schnütgen beheimatet.
C. Clever-Kümper