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Nächtliche Ruhestörung

Bild der 17. Woche - 25. April bis 1. Mai 2001

Meister des Heisterbacher Altares, Auferstehung Christi 2. Viertel des 15. Jahrhunderts, Eichenholz, 102 x 75 cm, Wallraf-Richartz-Museum, WRM 762
 

Während der Maler dieses Bildes den auferstehenden Christus durch den geschlossenen Deckel des Sarkophages emporsteigen läßt, ordnet er die für diese Szene ikonographisch typischen, wenn nicht sogar obligatorischen Wächter vor und hinter dem steinernen Grabe an. Diese Soldaten sind mit dem Thema der Auferstehung Christi verbunden durch den Evangelisten Matthäus. Als einziger der Evangelisten berichtet er (Mt 27,62ff.), dass die Gruppe der Juden, welche die Hinrichtung Jesu betrieben hatten, die Hohenpriester und Pharisäer - zu Pilatus gingen und um eine Bewachung des Grabes Jesu baten. Als Grund gaben sie an: "Herr, wir haben uns erinnert, dass jener Verführer, als er noch lebte, gesagt hat: Nach drei Tagen werde ich auferweckt." So wollten sie einen Diebstahl des Leichnams und die vorgetäuschte Erfüllung dieser Weissagung verhindern. Pilatus stellte Wachen ab und die Juden taten das ihre dazu, indem sie das Grab versiegelten (Mt 27,66). Matthäus beläßt es nicht bei dieser Ouvertüre einer gestörten Nachtwache. Er schildert die gesamte Szene zu ende: Die Auferstehung selbst vollzieht sich in Stille. Von einem Erdbeben begleitet steigt jedoch ein gewaltiger Engel vom Himmel herab und setzt sich auf den vom Grab weggewälzten Stein. "Aus Furcht vor ihm erbebten die Wächter und waren wie tot" (Mt 28,4). Nachdem der Engel verschwunden ist, laufen einige der Wächter in die Stadt und berichten den Hohenpriestern. Mit Geld stiften die Juden darauf die Soldaten an, von einem Diebstahl des Leichnams zu erzählen, auch wenn dies kein gutes Licht auf ihre Wachsamkeit wirft. "Sollte dies dem Statthalter [Pilatus] zu Ohren kommen, so wollen wir ihn beschwichtigen und für eure Sicherheit sorgen." (Mt. 28,14). Folgt man dem Evangelisten, so schlafen die Soldaten also nicht, sondern sind aus Furcht wie tot. Auch wenn unser Bild die biblische Schilderung nicht exakt wiedergibt, das Grab ist weder eine durch einen Stein verschlossene Grabkammer noch sieht man einen Engel - so fügt sich zumindest die Darstellung zweier Wächter ins Bild. Während der Soldat vorne links schläft, blickt der hintere entsetzt zum Auferstandenen auf. Der Wächter im Vordergrund rechts scheint ebenfalls starr vor Schreck seinen Blick auf Christus gerichtet zu haben. Diese Tafel der Auferstehung gehört zum sogenannten Heisterbacher Altar, der wohl im 2. Viertel des 15. Jahrhunderts von einem unbekannten Maler geschaffen wurde, und der diesem seinen Notnamen gab: Meister des Heisterbacher Altars. Der gewaltige Altar für das Zisterzienserkloster in Heisterbach im Siebengebirge charakterisiert seinen Maler sowohl als durchaus spätgotischen Menschen, zeigt aber in einzelnen Figuren (wie z. B. im Leichnam Christi bei der Grablegungsszene) eine Modernität, die an die zeitgleiche italienische Frührenaissance denken läßt. In unserem Bild ist dies besonders der rechts unten liegende Wächter mit seinem dem Betrachter zugedrehte Rücken und seiner Körperhaltung. Vielleicht geht auch die Komposition der Szene - mit quergestelltem Sarkophag und ohne Grabkammer - auf italienische Vorbilder zurück, wie wir diese z. B. bei Piero della Francesca finden, einem italienischen Zeitgenossen unseres Meisters (s. kleines Bild).

T. Nagel