Bild der 38. Woche - 22. bis 28. September 2008
Muss man heute, will man seine Mitarbeiter zu einer gemeinsamen außerbetrieblichen Veranstaltung zum Zwecke der verbesserten Verständigung begeistern, mindestens ein Wellness-Wochenende im Hotel Steigenberger Baden-Baden oder ein Survival-Training im Hohen Venn anbieten, ging es vor gut 50 Jahren schlichter zu. So avisiert Betriebsrat Mauthe den Museumsmitarbeitern das schnörkellose Programm für den Ausflug im Juni 1956: "Von der Bundesbahn wird ein Sonderwagen an den fahrplanmäßigen Zug angehängt. In Unkel (laut Baedeker 'ein reizvoll am Fuße des Leidenberges gelegener altertümlicher Luftkuhr- und Winzerort') kann jeder seine Freizeit beliebig gestalten. Das Hotel Mürl hat uns einen Saal zur Verfügung gestellt. Hier wird von 12 - 13 Uhr das Mittagessen eingenommen. Für die Dauer unseres Aufenthaltes spielt eine Unterhaltungskapelle. Gelegenheit zum Tanz ist gegeben. Außerdem stehen zwei Kegelbahnen in der Zeit von 15 - 18 Uhr unentgeltlich zur Verfügung." Da kommt den Zeitgenossen womöglich das Wundern an: Nicht nur, dass sich die Mitarbeiter sämtlicher städtischer Museen brav in einem Waggon zusammenfanden und es dort miteinander gut eine Stunde aushielten, nein, dass die Bundesbahn extra einen Sonderwagen an den Regionalexpress anhängte! Das legendäre Hotel (und Tanzlokal) Mürl, wo 1949 der 20jährige Erpeler Willi Hirzmann beim Feuerwehrball seine Käthe aus Unkel kennenlernte (Quelle: http://www.herrlichkeit-erpel.de/Hirzmann.htm 22.09.2008) und das offenbar über die Annehmlichkeit einer Kegelbahn verfügte, so dass für Lustbarkeit (Musik und Tanz) wie Wettkampf (Kegeln und Trinken) gesorgt war, klingt für die Zeit wie eine top location, wo wahrscheinlich die Walter-Reimann-Band populäre Schlager wie "A riverderci Roma", "Love me tender" und "Whatever will be" intonierte. Ein Satz der Einladung lässt mich vermuten, dass sich die Teilnahme an der Exkursion wirklich gelohnt hätte: "Getränke, Rauchwaren, Kaffee und Kuchen gehen zu Lasten des Bestellers." Eine wundervolle Vorstellung: Man betritt das Hotelfoyer und ist geblendet vom Strahlen der Kristall-Lüster, in deren Lichterglanz das Glas der streifenlos polierten Wandvitrinen zu leuchten scheint. Hinter den - natürlich abschließbaren - Glastüren ruht, was zumindest mein Herz im nasskalten Kölner Winter bisweilen heimlich und schuldbewusst begehrt: Rauchwaren! Zobel, Nerz, Persianer, oder wenigstens eine gewachsene Schaffelljacke. Seufz, ich wäre gern dabei gewesen, beim Betriebsausflug der Museen anno '56.
B. Alexander