Dosenbilder

Bild der 37. Woche - 15. bis 21. September 2008

Bartholomäus Bruyn d. Ä. Miniaturbildnis des Dr. jur. Petrus van Clapis, 1537 Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Inv.-Nr, WRM 248 Eichenholz, Durchmesser (mit Rahmen) 11 cm
Bartholomäus Bruyn d. Ä. Miniaturbildnis von Hermann und Sibylla Rinck, 1520 Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Inv.-Nr, WRM 0246 und WRM 0247 Eichenholz, Durchmesser (mit Rahmen) 18,5 c

Der Jurist und Rektor der Kölner Universität Petrus van Clapis gehörte zu Bartholomäus Bruyns ersten und treuesten Auftraggebern in Köln. Bruyn hat ihn zwischen 1515 und 1537 mindestens fünf Mal porträtiert. Unser Miniaturbildnis aus dem Jahr 1537 st das späteste dieser Bildnisreihe, und es ist auch das bei weitem interessanteste. Nicht nur, weil es wegen seiner außerordentlich qualitätvollen und präzisen Gestaltung trotz seiner geringen Größe sämtliche Vorzüge der besten "normalgroßen" Bildnisse Bruyns aufweist, sondern weil es auch lange Zeit ein Geheimnis barg, das erst in den letzten Jahren gelüftet werden konnte. Das Bildnis besteht sozusagen aus zwei Teilen, nämlich aus dem Porträt selbst und der gesonderten Darstellung des Wappens von Petrus van Clapis. In den blauen Hintergrund des Bildnisses hat Bruyn auf Wunsch seines Auftraggebers geschrieben: "Spes mea Deus" - "Meine Hoffnung ist Gott", und auf dem Rahmen lesen wir: "In dem Jaer 1537 was ich Petrus van Clapis der Rechten Doctor in dieser Gestalt 57 Jaer alt." Auf dem Wappen, das drei Löwenköpfe zeigt und von einem sitzenden Löwen als Helmzier bekrönt wird, steht die lateinisch geschriebene Devise des Herrn van Clapis: "Nosce te ipsum" - "Erkenne dich selbst". Während der Sinnspruch "Erkenne dich selbst" auf die humanistische Bildung des Dargestellten verweist, bedeutet die Devise "Meine Hoffnung ist Gott" einen letzten Nachklang der ehemals religiösen Bindungen der Bildnismalerei, die sich im Verlauf der Renaissance aus dem Stifterbildnis auf religiösen Darstellungen gelöst und zu einer eigenen Bildgattung verselbständigt hat. Aber nun zum Geheimnis unseres Bildchens: Sicher ist Ihnen aufgefallen, dass mit dem Rahmen des Porträts etwas nicht stimmt. Das Rahmenprofil, das so ähnlich gewesen sein muß, wie das noch erhaltene Profil des Rahmens vom Wappen, wurde abgesägt, und nicht nur das Rahmenprofil, sondern auch ein Teil der Holztafel, auf die das Bild gemalt ist. Das muß schon im letzten Jahrhundert passiert sein. Vielleicht hat man das getan, um das doch sehr kleine Bild in einen größeren und repräsentativeren Rahmen zu fassen. Aber das war keine gute Idee, denn dadurch hat man, ohne es zu wissen, den Zusammenhang zwischen Porträt und Wappen zerstört und unsere Museumsleute dazu verführt, fälschlicherweise zu glauben, das Wappen sei die abgesägte Rückseite des Porträts. - Aber so war es nicht. Wie es wirklich war, hat erst Ende der achtziger Jahre eine junge Kunsthistorikerin bei den Forschungen für ihre Doktorarbeit herausgefunden. Sie hatte viele Urkunden und Dokumente aus der Zeit der Renaissance studiert und in einigen von ihnen von kleinen runden Bildnissen gelesen, die, wie man damals auf lateinisch schrieb, "in pyxis" oder, wie man auf englisch schrieb, "in a box" gefertigt waren - auf deutsch würde man sagen: als Dose. Daraufhin hat sie sich solche kleinen runden Bildnisse, darunter auch die Miniaturbildnisse von Bartholomäus Bruyn in unserem Museum, sehr genau angeschaut und eine über die Jahrhunderte in Vergessenheit geratene Bildgattung wiederentdeckt, die sie "Kapselbildnis" nannte. - Man sieht eben tatsächlich nur, was man weiß. Auch unser Bildnis des Petrus van Clapis war - zusammen mit seinem Wappen - eine Dose, und das Wappen war die Innenseite des Deckels dieser Dose. Bildnis und Wappen sind also niemals auseinandergesägt worden, sie waren von jeher getrennt. Wir haben in unserer Sammlung sogar noch eine vollständige, unversehrte Bildnisdose von Bruyn, nämlich das Bildnispaar der Eheleute Hermann und Sibylla Rinck, das Bruyn im Jahr 1520 gemalt hat (s. Bild rechts). Hierbei ist es allerdings so, dass die Wappen sich bei geschlossener Dose auf den beiden Aussenseiten der Dose befinden. Auch die Wappen sind, wie man gut sehen kann, sehr aufwendig und qualitätvoll gemalt und eigentlich doch viel zu schön, als dass man sie verbergen möchte, indem man die Bildnisse an die Wand hängt oder in einer Vitrine präsentiert, wie es in den meisten Museen üblich ist. Man fragt sich, wie man diese Bildnisse wohl früher aufbewahrt und gezeigt hat. Auch dazu geben uns schriftliche Quellen aus der Zeit der Renaissance erklärende Hinweise. Man hat diese Kapselbildnisse überhaupt nicht aufgehängt. Sie hatten nicht in erster Linie eine dekorative Funktion, sondern sie dienten als Erinnerungsstücke oder Geschenke. - Martin Luther und Katharina von Bora sollen anläßlich ihrer Hochzeit eine große Zahl solcher Kapselbildnisse verschenkt haben. Man bewahrte die geschlossenen Bildnisdosen liegend in Truhen oder Schränken auf und holte sie nur zum Betrachten oder Zeigen heraus. Wenn die Dosen, wie jene des Ehepaars Rinck, auch außen bemalt sind, wurden sie, um die äußere Bemalung vor Gebrauchsschäden zu schützen, in Futteralen aus Leder oder Samt oder auch in hölzernen Schachteln verwahrt. Und was bewahrte man wohl in den Dosen auf? Die Erinnerung an den oder die Dargestellten, sonst nichts, denn sonst hätte man ja die wertvolle Malerei beschädigen können, die in der Dosenform so praktisch geschützt wurde

G. Herzog