Und trotzdem: wir fahren nach Italien …

Bild der 28. Woche - 14. bis 21. Juli 2003

Karl Eduard Ferdinand Blechen (Cottbus 1798 - 1840 Berlin) Grotte am Golf von Neapel, um 1830 Öl auf Eichenholz, 37.5 x 29.0 cm Wallraf-Richartz-Museum - Fondation Corboud, Inv.-Nr. WRM 2603
Karl Eduard Ferdinand Blechen (Cottbus 1798 - 1840 Berlin) Klosterruine Oybin, 1823 Öl auf Papier auf Leinwand, 44.0 x 29.0 cm Nationalgalerie Berlin - Das XIX. Jahrhundert, Inv.-Nr. F 561

Erlagen die Mittel- und Nordeuropäer nicht immer schon der Faszination und der Magie des südlichen Lichts, in dem die Küsten Italiens wie Sehnsuchtsorte erster Güte erstrahlten? Im 18. und 19. Jahrhundert waren es noch vorwiegend junge Adlige und Künstler, die dieser Sehnsucht folgten und die atemberaubenden Landschaften und spektakulären Überreste antiker Kultur bereisten, bewunderten und darzustellen versuchten. Unter ihnen war auch der Maler Karl Eduard Ferdinand Blechen (Cottbus 1798 - 1840 Berlin), der 1828/29 den lang gehegten Wunsch einer Italienreise verwirklichen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt vor allem durch Caspar David Friedrich (Greifswald 1774 - 1840 Dreden) und Johan Christian Clausen Dahl (Bergen 1788 - 1857 Dresden) beeinflußt (s. hierzu kleines Bild), verhalf ihm sein Italienaufenthalt zu einer lichtdurchfluteten Malerei von vorimpressionistischer Leichtigkeit. Von Mai bis Juli 1829 hielt Blechen sich in Neapel und Umgebung auf, wo er die Anregung für dieses Gemälde der "Grotte am Golf von Neapel" - ein anschauliches Beispiel für seine neuartige Malweise - erhielt. Fast unbeweglich verharrt die Natur in der nachmittäglichen Hitze. Die Zeit scheint stillzustehen und zwei kluge Mönche tun es ihr gleich. Sie haben sich in den Schatten einer hohen Grotte zurückgezogen, wo sie die heißeste Stunde des Tages im Gespräch versunken vorüberziehen lassen. Aus der Tiefe der Grotte geht der Blick hinaus aufs offene Meer, auf den Golf von Neapel. Wie feine Gaze spannt sich der Dunst über den Himmel, dessen zartes Grau sich am Horizont mit dem matten Blau des Meeres zu einer Wolke verdichtet. Für eine solche Aussicht sind auch heute noch Abertausende bereit, die beschwerliche Alpenquerung in Kauf zu nehmen. Ja, der Sommer ist da, der Urlaub nah. Zeit, sich auf den Weg zu machen. Zwar nicht mehr zu Fuß, wie Josef Eichendorffs Taugenichts oder der Dichter Gottfried Seume auf seinem Weg nach Syrakus, sondern eher wie Johann Wolfgang von Goethe: in der Karosse. Die ist heute zwar voll klimatisiert, doch dafür dehnt das demokratischste aller Hindernisse - der Stau - den Geduldsfaden eines jeden Italien-Reisenden bisweilen bis zum Zerreißen. Doch wir tragen es mit Fassung und belohnt werden wir reichlich, denn die schönsten Wochen des Jahres stehen bevor. Gepackt vom Reise-Fieber lassen wir den Alltag hinter uns, machen mal all das, wofür sonst die Zeit fehlt, kurzum: paradiesisch soll es werden. Und für viele von uns Tedeschi liegt dieses Paradies eben immer noch südlich der Alpen: in Bella Italia. Garantiert gutes Wetter, phantastisches Essen, herrliche Landschaften und eine unüberschaubare Fülle an Sehenswürdigkeiten. Doch was noch wichtiger ist: Italien steht für eine Lebensart, die viel mehr ist als die Summe aller Klischees. Apropos Klischee: wir Italien-Liebhaber lassen uns auch schon mal als "supernationalistische Blonde" verhöhnen, die sommers "lärmend über Italiens Strände herfallen" sollen. Gelassen nehmen wir es hin, denn wir wissen es besser als der - nun nicht mehr - für den Tourismus zuständige Staatssekretär Stefano S. Ciao e buon viaggio!

O. Mextorf