Selbstbildnis zum Ansporn

Bild der 24. Woche - 16. bis 23. Juni 2003

Zeng Mi (geb. 1935), Selbstbildnis Signatur: Sanshi louzhu; zahlreiche Siegel des Künstlers Tusche auf Papier, China, datiert 1987, 69,7 x 33,9 cm Köln, Museum für Ostasiatische Kunst, A 2002,4

Das Selbstporträt des Künstlers spielt in der traditionellen chinesischen Literatenmalerei so gut wie keine Rolle, weil es nicht dem Selbstverständnis des Literatenmalers entsprach. Um so bemerkenswerter ist das Selbstbildnis des Zeng Mi, das er laut Inschrift am unteren Bildrand „nach dem Bauernkalender am zweiten Tag des elften Monats im Dingmao Jahr (1987) mit Hilfe eines Spiegels malte und mit alten Lebensregeln als Lebensmotto verband, um sich selbst anzuspornen“. Das Blatt wurde vor dem Malen mit der Rückseite auf einen mit brauner Tusche gefärbten Stein gedrückt und zeigt eine hellbraune unregelmäßige Farbstruktur. Der Kopf verfügt weder über einen Halsansatz, noch ist er mit einem Körper verbunden. Das Gesicht wird durch sparsame Linien und wenige, mit dem trockenen Pinsel ausgeführte Striche charakterisiert. Im folgenden werden einige seiner Lebensregeln übersetzt, die jeweils mit unterschiedlichen Siegeln gestempelt sind: • „Reichlich sammeln, wenig von sich geben.“ • „Nicht Handeln.“ • „Den Weg kennen wie ein Schlafwandler.“ • „Als Mensch offen und ehrlich sein, heiter und gelassen malen.“ • „Einem Stein ähneln und ihm ähnlich bleiben.“ • „Die Beschreibung eines Abenteuers ist auch das Abenteuer der Beschreibung.“ • „Alle Schönheit folgt aus der Reinheit des Ursprungs.“ • „Ein großes Land regieren ist wie eine kleine Speise zubereiten.“ • „Eine große Gestalt hat keine Form.“ • „Immer wieder geschnitzt und poliert werden und am Ende zur Schlichtheit zurückkehren.“ • „Interessant ist es, wenn Unnormales mit dem korrekten Weg übereinstimmt.“ • „Eine vernünftige Unmöglichkeit ist immerhin besser als eine unvernünftige Möglichkeit.“ • „Das Außergewöhnliche sollte der Vernunft nicht zuwider laufen, Unkonventionalität sollte die Regeln nicht verleugnen.“ • „Das ungesellige liegt in meiner Natur, Anmut entspricht nicht meiner Veranlagung.“ • „Bei allen schwierigen Dingen muß man mit dem Einfachen anfangen, bei allen großen Dingen mit dem Kleinen.“ • „Wenn das Wasser tief ist, kann es Schweres tragen, wenn es reichlich Erde gibt, gedeihen Pflanzen üppig.“ • „Einen Stein kann man zerschlagen, aber seine Härte bleibt. Zinnober kann man verreiben, aber die Röte vergeht nicht.“ • „Mit Fleiß lernen, um einem Mangel an Qualität abzuhelfen.“ • „Wissen heißt, wissen was fehlt, Nichts bedeutet, es gibt Nichts, das man nicht tut.“ • „Je tiefer man hineingeht, desto schwieriger der Weg, um so faszinierender aber auch, was man sieht.“

A. Schlombs