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Bild der 47. Woche - 20. bis 27. November 2000
Ein neun Glocken umfassendes Glockenspiel ist das zweifellos spektakulärste Objekt der Sammlung Peter und Irene Ludwig im Museum für Ostasiatische Kunst zu Köln. Im Zusammenhang mit der Präsentation dieses etwa 2800 Jahre alten Instruments wurde ein Projekt ins Leben gerufen, um die Glocken wieder zum klingen zu bringen, um dieses älteste spielbare Instrument in Europa mit Originalmusik zu Gehör zu bringen. Zunächst war es das größte Problem, eine Musik zu finden, die auf den Glocken gespielt werden könnte. Wie viele Glockenspiele der Westlichen und beginnen östlichen Zhou-Dynastie (11.-8. Jh. v. Chr.) verfügt das Instrument nur über vier Töne pro Oktave, ist also quatrotonisch. Die Tonverteilung entspricht, legt man moderne europäische Noten zugrunde, etwa den Werten c - e - g - a und umfasst fünf Oktaven. Da originale Musiknotationen der Zhou-Dynastie nicht überliefert sind, mußte ein jüngeres Werk gesucht werden, das sich auf den Glocken spielen ließ. Das Vorhaben erwies sich als schwieriger als erwartet. Während pentatonische Musik bis heute in verschiedenen Kulturkreisen durchaus bekannt und verbreitet ist, gibt es kaum Melodien, die sich auf eine quatrotonische Tonleiter beschränken. Die Lösung des Problems fand erst François Picard, Musikethnologe an der Sorbonne, einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der chinesischen Musikarchäologie. Er entdeckte in einer Liedersammlung des 15. Jahrhunderts, dem ursprünglich als Notensammlung für die Qin-Zither entstandenen Shenqi mipu (Geheime und wunderbare Aufzeichnungen), ein Stück namens Jiukuang (Vom Wein berauscht). 1425 wurde das Musikstück aufgezeichnet, obwohl es nach der Überlieferung auf Ruan ji (210-263) zurückgeht, einen der berühmten "Sieben Weisen vom Bambushain". Das viertönige Stück ist damit eines der ältesten in chinesischer Notenschrift festgehaltenen Lieder. Zum Spielen der Glocken wurden moderne Vibraphonschlägel von unterschiedlicher Härte und Gewicht eingesetzt. Die große bo-Glocke konnte erst mit einem schweren Tamtam-Schlägel mit Stahlkern zum Klingen gebracht werden. So wurden die Glocken erstmals seit 2800 Jahren wieder als Instrument genutzt - was für alle Beteiligten ein besonderes Erlebnis war. Für Überraschung sorgte neben der Tatsache, daß ein Instrument dieses Alters überhaupt noch spielbar ist, die bestechende Klangqualität und auch für heutige Ohren unerwartet saubere Stimmung des Glockenspiels.
L. Nickel