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Bild der 10. Woche - 8. März bis 15. März 1999
Auf dem Bild von Paul Delaroche sieht man Herodias mit einer Schüssel, auf der der Kopf Johannes des Täufers liegt. Triumphierend blickt sie den Betrachter an. Ihr Blick ist kalt und berechnend, lediglich die Magd im Hintergrund scheint nachdenklich. Die Geschichte von der Enthauptung des Täufers ist im Neuen Testament (Matth. 14, 3-11, Mark. 6, 17-18) überliefert. Johannes der Täufer hatte die illegale Ehe des Königs Herodes Antipas mit Herodias, der Frau seines Bruders, öffentlich verdammt. Daraufhin ließ Herodes den Täufer ins Gefängnis werfen, scheute sich aber ihn töten zu lassen, weil Johannes für einen Propheten gehalten wurde und weil auch Herodes selbst ihn gern reden hörte. Bei einem Festmahl tanzte die Tochter der Herodias, Salome, vor Herodes, woraufhin er ihr versprach, ihr einen Wunsch zu erfüllen. Ihre Mutter, die dem Täufer den Tod wünschte, schlug ihr vor, sich das Haupt des Täufers zu erbitten. So geschah es. Herodes wurde sehr betrübt, erfüllte ihr aber den Wunsch. Das Haupt des Täufers wurde auf einer Schüssel gebracht, die Salome ihrer Mutter übergab. Das Bild der Herodias läßt keinen Zweifel daran, daß in der Schönheit und Anziehungskraft dieser Frau der Ausgangspunkt der grausamen Tat liegt. Gerade in ihrer Kaltblütigkeit ist Herodias schön, kostbare Stoffe umspielen ihren Körper. Ihre Ausstrahlung bewegte Herodes zu der illegalen Ehe, die Anmut ihrer Tochter führte zu dem unbedachten Versprechen. Weder Herodias noch ihre Tochter töten selbst, sie lassen töten - eine Kombination von weiblicher Verführungskunst (dem Tanz) und geschickter Taktik (das Nutzen eines harmlosen Versprechens für einen so grausamen Zweck) führt sie zum Ziel. Diese Tatsache machte die Geschichte gerade im 19. Jahrhundert beliebt. Die Männerwelt konnte ihre Angst vor den sich emanzipierenden Frauen oder sogar dem Matriarchat mit dem Hinweis auf die Unberechenbarkeit der Frau, die sich in dieser Szene manifestiert, begründen. Ähnlich wie die Geschichte von Salome und Herodias wurden auch die Taten zweier anderer Heldinnen, Dalila und Judith, im 19. Jh. als historisches Exemplum dargestellt. Im Gegensatz zu Salome und Herodias machen die beiden ihre Widersacher eigenhändig unschädlich. Beide nutzen für die Tat einen Moment in dem ihre Opfer ihnen schutzlos ausgeliefert sind - den Schlaf. Zugang zu ihren Opfern haben die Judith und Dalila durch ihre intime Beziehung zu den Männern: Dalila ist mit Simson verheiratet, Judith betört Holofernes durch ihre Schönheit. Wiederum führen also Taktik und verführerische Schönheit die Frauen zum Ziel. Der französische Historienmaler Paul Delaroche (1779-1856) ist vor allem für seine Schilderungen von Begebenheiten aus der französischen und englischen Geschichte bekannt. Aber auch die Darstellung der Herodias, die ja trotz der biblischen Thematik aktuelle Bezüge aufwies, hatte großen Erfolg beim Publikum und wurde auf dem Brüsseler Salon mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Nicht nur in der bildenden Kunst wurde die Geschichte von der Enthauptung des Täufers behandelt. Genannt seien nur Flauberts Novelle "Herodias" und die Oper "Salome" von Richard Strauss. Herodias war das historische Beispiel der femme fatale, des "Inbegriffs der erotisch faszinierenden, dämonisch-destruktiven Frau, die als Siegerin aus dem Kampf der Geschlechter hervorgeht" (Brockhaus). die internationale Frauenbewegung In diesen Werken des 19. Jahrhunderts wird - auch wenn sie als Darstellungen historischer Gegebenheiten (und noch dazu von 'Extrembeispielen') nur indirekt auf die aktuelle Situation anspielen - das Unbehagen der Männer in Anbetracht der neuen Rolle der Frau offenbar. Bis die Frauen sich tatsächlich auch politisch zusammenschlossen, um für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu kämpfen, sollte aber noch einige Zeit vergehen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts formierte sich eine internationale Frauenbewegung und forderte Gleichberechtigung in Politik und Arbeitswelt. 1910 wurde beschlossen, den Forderungen mit einem internationalen Frauentag Ausdruck zu verleihen, der 1921 auf den 8. März festgelegt wurde. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts war die Frauenbewegung stark von sozialistischen Idealen geprägt und verstand sich auch als Widerstandsbewegung gegen den imperialistischen Krieg und Vorreiter im Klassenkampf. Inzwischen beschränkt sich der Frauentag, zumindest in Deutschland, wieder mehr auf die Formulierung emanzipatorischer Forderungen - sofern er überhaupt begangen wird.
K. Kwastek