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Bild der 5. Woche - 1. bis 8. Februar 1999
Dieses prächtige, mit Gold und strahlenden Farben spielende Tafelbild stellt uns den Inhalt des Festes vor Augen, welches die katholische Kirche in dieser Woche, am 2. Februar, feiert: Maria Lichtmeß oder Darstellung Jesu im Tempel. Von Stefan Lochner 1447 für St. Katharina zu Köln, die Kirche des Deutschen Ordens, geschaffen, befindet sich dieses Altargemälde heute im Hessischen Landesmuseum, Darmstadt. Das Bildthema, auf welches unten noch näher eingegangen werden soll, hat in dieser Form eine vielfigurige, stark erzählerische Ausprägung erreicht, welche in einer über 100 Jahre älteren Fassung im Wallraf-Richartz-Museum (s. kleineres Bild) noch auf wenige markante Figuren beschränkt war. Dieser Unterschied entspricht der Entwicklung, die das Thema unter dem Einfluß der mystischen Literatur des 14. Jahrhunderts in diesem Zeitraum vom frühen 14. Jahrhundert bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts machte. Auf den ersten Blick stellen beide Tafeln das gleiche Thema dar, die Darmstädter Fassung jedoch wesentlich detailreicher. Bei exaktem Hinsehen lassen sich jedoch unterschiedliche Schwerpunkte in beiden auch als Darbringung Jesu im Tempel benannten Bildthemen aufzeigen. Wie der zu dieser Szene gehörende biblische Text (Lukas 2,21-40), so zeigen beide Gemälde unter dem genannten Bildtitel auch die Reinigung Mariens. Ein drittes Thema, die Beschneidung Jesu, spielt ebenfalls mit in die Darstellung hinein. Lochner fügt noch zeitgenössische Züge hinzu, indem er liturgische Elemente des Festes Maria Lichtmeß darstellt, d. h. indem er Elemente einbaut, mit denen noch heute dieser Tag kirchlich gefeiert wird. Zum Hintergrund: Nach jüdischem Gesetz (3. Buch Mose 12,2-8) war eine Mutter nach der Geburt eines Knaben 40 Tage lang unrein. Hygienische Vorstellungen, aber auch der Gedanke, böse Geister könnten sich nach der Geburt in die Frau drängen, führten zu dieser Regelung. Waren diese Tage vorüber, so mußte ein einjähriges Lamm und eine Taube als Opfer dargebracht werden, und zwar im Jerusalemer Tempel. Armen Leuten, die kein Schaf aufbringen konnten, war es gestattet, an dessen Stelle eine zweite Taube zu opfern. Auf Lochners Bild hält Maria die beiden Tauben in den Händen, um sie dem Priester zu übergeben, - auf dem anderen Bild trägt Josef drei Tauben im Korb ("ein paar Turteltauben oder zwei junge Tauben", Lukas 2,24).en. Unabhängig von der Reinigung der Mutter mußte nach jüdischem Gesetz (4. Buch Mose 18,15-18) jede männliche Erstgeburt von Tieren und Menschen durch den Vater losgekauft werden, da sie Gott gehörte. Die Tiere wurden geopfert, die Knaben sollten das Priesteramt am Heiligtum übernehmen. Da aber in Israel der Stamm Levi stellvertretend für die anderen Stämme den Tempeldienst leistete, wurden die Erstgeborenen vom Tempeldienst freigekauft: für fünf Schekel Silber (1 Schekel = 16,32 Gramm). Auf Lochners Bild nimmt Josef links das Geld aus seiner Reisetasche. Das Gemälde des Wallraf-Richartz-Museums zeigt die Geldübergabe nicht. Die Darstellung Jesu im Tempel wird hier durch den Akt der Übergabe des Kindes an den Priester verdeutlicht. Dieser ist im Begriff das Kind auf seine Arme zu nehmen, wie Rabbiner es taten, wenn sie die Kinder segneten. Zum Freikaufen des Kindes mußten die Eltern weder nach Jerusalem kommen noch war die Anwesenheit des Kindes vorgeschrieben. Das Lukasevangelium schildert jedoch, daß Maria und Josef beide Gesetze mit diesem Besuch des Tempels erfüllten. Im Tempel begegnen sie zwei als sehr fromm charakterisierten Personen, dem vom Geist erfüllten Simeon und der hochbetagten Witwe Anna (auch Hanna genannt). Traditionell wird Simeon mit der Figur des Priesters in dieser Szene verbunden. Im Bild des Wallraf-Richartz-Museums nimmt er das Kind freudig entgegen, bei Lochner hält er das auf dem Altar sitzende Kind und betrachtet es still. Die Bibel läßt ihn hierbei u.a. sagen: "Nun entläßt du, Herr, deinen Knecht nach deinen Worten in Frieden; denn meine Augen haben dein Heil geschaut, das du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker. Ein Licht zur Erleuchtung für die Heiden und zur Verherrlichung deines Volkes Israel" (Lukas 2,29). Auch Anna preist Gott als sie Jesus erblickt. Auf Lochners Gemälde steht Anna hinter Josef und Maria am Altar. In der kirchlichen Liturgie wird dieser Tag im Anschluß an das Licht als Symbol für Christus und in konkreter Umsetzung des Ausspruches von Simeon "Licht zur Erleuchtung der Heiden" mit einer Lichterprozession gefeiert. Lochner zeigt kerzentragende Personen - besonders schön die zur Prozession aufgereihten Kinder im Vordergrund. Während Stefan Lochner die Darstellung Jesu im Tempel nicht nur theologisch reich ausdeutete (Erläuterungen hierzu können an dieser Stelle nicht angefügt werden), sondern das Thema zugleich sehr erzählerisch schilderte, ist das kleine ältere Gemälde ganz von der Übergabe des Christuskindes an Simeon geprägt. Darstellung ist hier fast wörtlich verstanden als Präsentation des Gottessohnes im Haus seines Vaters. Der Akt des Loskaufes und der Reinigung Mariens tritt in den Hintergrund. Beide gleichbenannten Gemälde haben so eine deutlich unterscheidbaren Schwerpunkt der Schilderung. Stefan Lochners Werk legt Wert auf das Erzählen der biblischen Überlieferung und deren theologische Ausdeutung. Das ältere Gemälde des Wallraf-Richartz-Museums hingegen stellt die theologische Aussage des Kommens Christi in das Haus seines Vaters, den Höhepunkt und Abschluß der Erscheinung des Herrn bzw. der Weihnachtszeit, in den Mittelpunkt seiner Bildaussage. Auch wenn die Beschneidung nach jüdischem Gesetz durch den Vater des Kindes vorgenommen werden mußte, so klingt bei dem einen Gemälde im Gestus des Entgegennehmens des Kindes durch den Priester, welcher das Kind bei der Beschneidung hielt, und bei dem anderen Bild in der deutlichen Nacktheit Jesu neben allen bereits genannten Themen auch die Darstellung der Beschneidung des Knaben mit an.
T. Nagel