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Puzzlespiel der Kunstgeschichte

Bild der 53. Woche - 28. Dezember 1998 bis 4. Januar 1999

Meister der Karlsruher Passion, Gefangennahme Christi, um 1450, Mischtechnik auf Nußholz, 66,2 x 46,2 cm, WRM 585
Meister der Karlsruher Passion: Geißelung Christi, um 1450, Foto: Katalog

Im Jahre 1859 vermachte eine Privatperson dem Wallraf-Richartz-Museum eine spätgotische Tafel, die die Gefangennahme Christi darstellt, genau genommen seine Abführung zum Palast des Kaiphas, d. h. die Szene der Passionsgeschichte, die zeitlich auf den Verrat des Judas folgt. Erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkannte man die Zugehörigkeit des Bildes zu fünf weiteren Passionsszenen, die man unter dem Namen Karlsruher Passion zusammenfaßte. Noch 1996 wurden die sechs Tafeln zusammen auf einer Ausstellung in Karlsruhe gezeigt. Eine siebte Szene, die die Geißelung Christi darstellt, war aus einem Auktionskatalog bekannt, aber nicht lokalisierbar. Das Werk ohne Künstler und der Künstler ohne Werke Weder die Darstellungen der Passionsgeschichte selber, noch der "Meister der Karlsruher Passion" stammen ursprünglich aus Karlsruhe. Der Notname wurde lediglich gewählt, um den unbekannten Künstler der Werke zu bezeichnen, von denen sich fünf in der Karlsruher Kunsthalle befinden. Diese Praxis der Namensgebung ist in der Kunstgeschichte durchaus üblich. Neben diesen Tafeln ohne bekannten Autor, die stilistisch eben nicht nach Karlsruhe, sondern nach Straßburg weisen, existierte aber in Straßburg ein schriftlich belegter Künstler, von den wiederum keine Werke bekannt sind: der Maler Hans Hirtz, der von 1421 bis 1462/65 in Straßburger Urkunden auftaucht und auch in Quellen des 16. Jh. noch als herausragender Künstler gewürdigt wird. Obwohl man annimmt, daß die Karlsruher Passion aufgrund ihrer hohen Qualität ein Werk dieses Malers sein könnte, lassen sich bis zum heutigen Zeitpunkt keine Beweise für diese These finden Die Passionsgeschichte ohne Kreuzigung Die erhaltenen Altartafeln, allesamt ca. 66 x 46 cm groß, zeigen Szenen aus der Passion Christi, von Christus am Ölberg bis zur Kreuzannagelung. Schnell wird klar, daß an diesem Altar ursprünglich zumindest eine weitere Szene fehlte: die der Kreuzigung selbst. Aus dem Vergleich mit anderen erhaltenen Passionsaltären läßt sich jedoch folgern, daß eine noch größere Anzahl an Szenen den Altar komplettiert haben müssen. Neben den auch für kleinere Passionsfolgen üblichen Szenen Christus am Ölberg, Geißelung, Dornenkrönung und Kreuztragung umfassen die sieben Tafeln nämlich auch Darstellungen, die nur aus umfangreicheren Zyklen bekannt sind. So stellt die Kölner Tafel zum Beispiel die Abführung Christi nach der Gefangennahme dar, der Verrat des Judas selber hingegen ist nicht erhalten. Sowohl weitere Szenen aus der Leidensgeschichte, z. B. die Verhöre Christi, als auch nach der Kreuzigung stattfindende Begebenheiten wie Auferstehung und Pfingstfest werden das Altarwerk vervollständigt haben, mindestens zwölf Tafeln werden vermutet. Die wiederentdeckte Tafel Jüngst tauchte nun im französischen Kunsthandel die aus einem Auktionskatalog bekannte Tafel mit der Darstellung der Geißelung Christi wieder auf, die den unvollständigen Altar des unbekannten Künstlers wieder ein wenig vollständiger macht. Der französische Staat hat darauf verzichtet, die Tafel als "vaterländisches Erbgut" einzustufen und hat die Ausfuhrgenehmigung erteilt, um eine Zusammenführung der Tafeln zu ermöglichen. Bei der Versteigerung konnte jedoch die Karlsruher Kunsthalle bei einem auf das Zehnfache des Schätzwertes von 3 Mio. Francs angestiegenen Preis nicht bis zum Ende mitbieten, so daß der Zuschlag an einen wohl privaten Bieter ging. Es bleibt zu hoffen, daß die Tafel nicht wieder in einer unbekannten oder unzugänglichen Privatsammlung verschwindet, sondern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und vielleicht eine Zusammenführung der nunmehr sieben Tafeln - und sei es nur auf Zeit - ermöglicht wird.

K. Kwastek