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Herbstwind in den Kiefern

Bild der 40. Woche - 28. September bis 5. Oktober 1998

Ausschnitt einer Szene aus der Geschichte des Prinzen Genji (Genji monogatari), Stellschirm, frühes 17. Jahrhundert, Tusche, Farben und Gold auf Papier; Museum für Ostasiatische Kunst, Köln

Mit Wind in den Kiefern (Matzukaze) ist das 18. Kapitel des mittelalterlichen Romans Geschichte des Prinzen Genji (Genji monogatari) überschrieben, welches der Szene auf diesem Stellschirm zugrundeliegt: Prinz Genji (oben rechts) nimmt die Beute eines jungen Falkners (in rotem Gewand) entgegen. Große, statuenhafte Figuren und prächtige Kiefern verleihen der Szene eine vornehme und würdevolle Atmosphäre. Kräftige Tuschkonturen definieren die landschaftlichen Elemente und die Stämme der Kiefern. Die länglichen Gesichter der hochgewachsenen Figuren weisen prägnante Gesichtszüge auf. Die Geschichte des Prinzen Genji wurde um 1000 n.Chr. von einer jungen Frau geschrieben, die unter dem Namen Murasaki Shikibu (geboren 970 oder 978) bekannt ist. Die Erzählung gehört zu den umfangreichsten Romanen der Weltliteratur und ist eines der frühesten Werke in der Geschichte der Romanliteratur. Wegen seines erlesenen Stils und der Komplexität der Handlung handelt es sich um einen für seine Zeit außergewöhnlichen Roman. Bemerkenswert sind außerdem die scharfe Beobachtung der Natur und der menschlichen Psychologie ebenso wie die Tiefe der beschriebenen Emotionen. Die Ereignisse der Erzählung umfassen fast drei Viertel eines Jahrhunderts und beziehen fast fünfhundert Personen ein. 41 der 45 Kapitel sind dem Leben und den Liebesabenteuern der männlichen Hauptfigur Prinz Genji gewidmet, einem Mann von seltener Schönheit und kultiviertem Geschmack. Sein weibliches Gegenstück, Murasaki, die Namensschwester der Autorin, ist ein Beispiel weiblicher Tugenden: eine Frau von unübertroffener Schönheit, außergewöhnlichem Mitgefühl, Anmut und Feinheit. Nach Genjis Tod im Alter von 52 Jahren wird die Erzählung fortgesetzt, zuerst mit dem Leben von Genjis gutaussehendem, aber glanzlosem Sohn Yûgiri, später mit dem Leben und den Rivalitäten von Genjis Enkel und einem illegitimen Sohn von Genjis junger Witwe. Die Erzählung, die schon zu Lebzeiten der Autorin berühmt war, ist das am häufigsten illustrierte literarische Werk in der Geschichte Japans. Sie diente vielen Malern verschiedener Künstlerschulen als reiche Motivquelle und wurde in allen Bildformaten dargestellt: auf Querrollen, Hängerollen, Stellschirmen, Alben und Fächern. Bis zum 15. 11. 1998 ist das besprochene Werk im Museum für Ostasiatische Kunst, Köln, im Rahmen der Ausstellung Herbstwind in den Kiefern. Japanische Kunst der Sammlung Langen zu sehen.

M. Retterath