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Ein Stück Geschichte: Das Tintenfass aus Köln und seine Rolle bei der Unterzeichnung des Grundgesetzes

Bild der 21. Woche - 20. Mai bis 26. Mai 2024

Alois Kreiten: Tintenfass aus dem Kölner Ratssilber, Silber, teilvergoldet, Bergkristall, Email; H: 28,5 cm, B: 37 cm, T: 28 cm; Köln, 1899
Kölnisches Stadtmuseum, Inv.-Nr. KSM 1969/415,2

Als Konrad Adenauer (1876–1967) am 23. Mai 1949 als Präsident des Parlamentarischen Rates das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete, stand ein prunkvolles, altmodisches Tintenfass auf dem Tisch neben ihm. Dieses besondere Tintenfass war Teil des neuen Kölner Ratssilbers.

Warum Adenauer dieses Stück aus der Kaiserzeit dort haben wollte, bleibt unbekannt. Vielleicht erinnerte er sich daran, als eine passende Dekoration für den Tisch gesucht wurde. So brachte der ehemalige, langjährige Kölner Oberbürgermeister seine Heimatstadt in diese Gründungszeremonie der neuen Republik ein – ganz nach dem Kölner Motto „Da simmer dabei, dat is prima!“.

Das Tintenfass aus dem Ratssilber ist das Werk des Kölner Goldschmieds Alois Kreiten (1856–1930). Auf einem Sockel, der auf vier Bergkristallkugeln ruht, knien zwei Engel und tragen ein chinesisches Bergkristallgefäß, in das ein kleines „Eimerchen“ als eigentliches Tintenfass eingelassen ist. Das Kristallgefäß und das Eimerchen stammen aus China und wurden einst von einem chinesischen Gelehrten zur Reinigung seiner Pinsel verwendet. Der städtische Beigeordnete Karl Thewalt (1833–1902) stiftete es aus seiner Sammlung. Die beiden Engel sind dem gotischen Tympanon der Rathauskapelle nachempfunden, das heute im Museum Schnütgen (K 189) zu finden ist: Zwei Engel halten das Kölner Wappen mit Helmschmuck. Ein Helm in der Form des Pfauenfederbusches des Kölner Bauern ziert den Deckel des Tintenfasses.

Das ursprüngliche reichsstädtische Ratssilber wurde 1795 auf Anweisung der französischen Besatzer eingeschmolzen. Das neue Kölner Ratssilber entstand zwischen 1889 und 1907 durch Stiftungen Kölner Familien. Als erstes neues Stück wurde der Kaiser-Pokal gefertigt. Das Tintenfass wurde von der Stadt Köln finanziert und die Gestaltung von der Kunstkommission beschlossen, die ein vaterstädtisches und gleichzeitig gotisches Motiv wünschte. Es ergänzt das zwei Jahre zuvor zusammen mit einem Federhalter bei dem Kölner Goldschmied Gabriel Hermeling (1833–1904) in Auftrag gegebene Goldene Buch der Stadt Köln.

R. WagnerA. Borggrefe