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Bild der 38. Woche - 18. September bis 24. September 2023
Anlässlich des 160. Todestages von Jacob Grimm lohnt sich nicht nur ein Blick in seine Märchen, sondern auch in die Rezeption in der Kunst. Darunter ist eine Figur besonders aufgeladen: Der Wolf.
Der Wolf ist ein häufig auftretendes Thema in Märchen. Dabei hat kein anderes Tier in diesen Geschichten ein so schlechtes Image, und dies könnte möglicherweise historische Gründe haben. In der frühen Neuzeit, einer Zeit der starken wirtschaftlichen Expansion, wurde der natürliche Lebensraum der Wölfe zunehmend eingeschränkt. Dadurch sah sich das bedrängte Tier gezwungen, Menschen und Nutztiere anzugreifen, was dazu führte, dass es zunehmend als Symbol für Ängste und negative Stereotypen diente. Bekannte Beispiele hierfür sind die beiden Märchen der Brüder Grimm, »Rotkäppchen« und »Der Wolf und die 7 Geißlein«, die im ersten Band ihrer Kinder- und Hausmärchen von 1812 enthalten sind.
»Rotkäppchen" ist zweifellos das bekanntere der beiden Märchen und wurde häufiger illustriert als »Der Wolf und die 7 Geißlein". In beiden Märchen wird der Wolf als gierig und gefräßig dargestellt. Diese Gluttonie wird oft als Metapher für sexuelle Begierde interpretiert und findet sich bereits in Charles Perraults Märchen »Le petit chaperon rouge« aus dem Jahr 1697, das als Vorläufer des deutschen Rotkäppchens gilt.
Die Graphische Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums besitzt einen großformatigen Kupferstich von Friedrich »Fritz« August Dinger (1827–1904), der nach einer Vorlage von Ernst Bosch (1834–1917) angefertigt wurde. Bosch war Mitbegründer des Düsseldorfer Radierclubs, während Dinger vor allem für seine grafischen Reproduktionen von Gemälden bekannt wurde. Sein Kupferstich »Rotkäppchen in Waldlandschaft mit dem Wolf sprechend« aus dem Jahr 1868 zeigt die berühmte Szene der ersten Begegnung zwischen Rotkäppchen und dem Wolf im Wald. Rotkäppchen, ein kleines, barfüßiges Bauernmädchen im Dirndlkleid, trägt einen Korb mit Kuchen und Wein für die Großmutter und hält in der anderen Hand einen großen, eleganten Stockschirm, der in dieser Umgebung unpassend wirkt, aber im Notfall gegen das wilde Tier verwendet werden könnte.
Obwohl der Wolf hier relativ naturgetreu als großes und gefährliches Tier dargestellt wird, zeigt Rotkäppchens Gesichtsausdruck keinerlei Erschrecken. Vielmehr scheint es, wie im Bildtitel angedeutet, ein Gespräch mit dem Wolf beginnen zu wollen. Sie sind einander zugewandt, die Größenverhältnisse erscheinen realistisch, beide sind in ein gleichmäßig warmes Sonnenlicht getaucht, das die Szenerie von dem sie umgebenden dichten, dunklen Wald abhebt.
Um den Wolf ranken sich von jeher zahllose Geschichten. Diese haben zu wahren Bilderfluten geführt, die uns heute immer noch zu überschwemmen scheinen.
M. Linsmann-DegeA. Borggrefe