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Die auch lacht

Bild der 31. Woche - 31. Juli bis 6. August 2023

Käthe Kollwitz, »Mutter mit Kind auf dem Arm«, 1916, Käthe Kollwitz
Museum Köln

Die Künstlerin Käthe Kollwitz besaß neben ihrer Ernsthaftigkeit auch eine ganz andere Seite. Lebenszeugnisse und Aussagen von Weggefährten zeichnen das Bild einer überraschend lebensfrohen und humorvollen Frau.

Frühe Hinweise dieser heiteren Seite von Käthe Kollwitz liefert ein Blick in ihre Studienzeit in München. Wie viele Künstlerinnen um die Jahrhundertwende zieht es auch Käthe, die damals noch Schmidt heißt, im Jahr 1888 in die Stadt der deutschen Boheme. An der Damen-Akademie des Künstlerinnen-Vereins beginnt sie ein Studium bei Ludwig Herterich und taucht schnell ein in das illustre Leben fernab bürgerlicher Konventionen. In ihrer autobiografischen Schrift »Erinnerungen« denkt Kollwitz an diese unbeschwerte Zeit zurück: Zwar war der Tag besetzt mit Arbeit, doch »abends genoß man, ging auf Bierkeller, machte Ausflüge in die Umgebung und fühlte sich frei, weil man seinen eigenen Hausschlüssel hatte«. Diese Freiheit lässt die junge Käthe regelrecht aufblühen. Ihren Studienkolleginnen bleibt sie als aufgewecktes junges Mädchen in Erinnerung, das sich leichtfüßig und abenteuerlustig in das Treiben der Stadt stürzt.

Und auch bei der Arbeit im Atelier darf der Spaß nicht zu kurz kommen. Längst nicht alle Münchner*innen stehen dem unkonventionellen Lebensstil der jungen »Malweiber« unvoreingenommen gegenüber. Hartnäckig hält sich in der Nachbarschaft der Malschule sogar das Gerücht, die jungen Frauen seien schon zur Mittagszeit betrunken. Eine Vorlage, die Käthe zu nutzen weiß: Für ein Gruppenbild der Malklasse posiert sie scherzhaft mit einem gefüllten Bierkrug in der Hand und beweist dabei ihren Sinn für Humor und Selbstironie.

Besondere Höhepunkte in den Münchner Jahren sind für Käthe Kollwitz die Faschingszeit sowie die ganzjährig stattfindenden Maskenbälle und Kostümfeste der Künstlerkreise. Mit großer Begeisterung verkleidet sie sich für diese Anlässe und spielt ihre gewählte Rolle dabei so authentisch, dass man fast meinen könnte, sie habe nie etwas anderes getan. »Am dauerhaftesten eingeprägt hat sie sich mir als Gänsemädchen mit den schweren holländischen Holzschuhen, einem grobfähigen Leinenhemd und bäuerischem Rock samt Schürze. In der Hand trug sie eine Haselgerte«, erinnert sich ihre Freundin Beate Bonus-Jeep.

Übermütig wird auf diesen Festen getanzt, gesungen und gelacht. Die junge Kunststudentin ist stets ganz vorne mit dabei. Ihre Ausgelassenheit und Freude faszinieren die Menschen um sie herum: »Das ist die Käthe Schmidt aus Königsberg. (…) Sieh, jetzt tanzt sie allein, mit sich selber! Sieht sie nicht wie ein junger lachender Seehund aus? Ein entzückendes Bild …«, hält Studienfreundin Rosa Pfäffinger über ihre erste Begegnung mit Käthe Kollwitz fest.

Dass es bei diesen Veranstaltungen nicht nur närrisch, sondern auch feuchtfröhlich zugeht, bezeugt eine Tuschezeichnung aus der von Käthes Malklasse gestalteten Ballzeitung zur Faschingszeit 1890. Zwar ist es nicht eindeutig gesichert, da die Signatur erst später von fremder Hand hinzugefügt wurde, doch vermutlich stammt die Illustration von Kollwitz selbst. Zu sehen ist – der Titel verrät es – ein Katertag: Die Malweiber sitzen und liegen erschöpft in ihrem Atelier. Eine herumstehende Flasche erinnert an das gesellige Treiben der vergangenen Nacht und die müden Gesichter der Frauen sprechen Bände: Da wurde am Vorabend wohl etwas tief ins Glas geschaut. Mit der Hochzeit 1891 und der Geburt ihrer beiden Söhne Hans (*1892) und Peter (*1896) ist es mit dem freien Leben in München vorbei.

Ihre Lebensfreude und den wachsamen Blick für die heiteren Momente des Alltäglichen bewahrt sich Käthe Kollwitz aber weiterhin und wird es auch nachdem schweren Schicksalsschlag, dem frühen Kriegstod Peters, tun. Ohne diesen Blick und das Gespür für die Unbeschwertheit eines Augenblicks, wären wohl kaum ihre zahlreichen fröhlichen Alltagsszenen entstanden – ein Kontrast zu den Themen von tiefem Ernst, die Kollwitz sonst behandelt. Insbesondere die Kinderdarstellungen zeugen von ihrem Talent, die Heiterkeit einer zufälligen Beobachtung mit nur wenigen Strichen festzuhalten und zu verdichten.

Weitaus weniger heiter erscheint Kollwitz dagegen auf den zahlreichen Selbstbildnissen, die sie im Laufe ihres Lebens anfertigt. Auf den allermeisten begegnet sie uns als konzentrierte, nachdenkliche Frau. Umso mehr überrascht, dass es ihr lautes und herzliches Lachen ist, das den Menschen aus ihrem Umfeld auffällt und das sie im Gedächtnis behalten. »Sie konnte überwältigend lachen«, berichtet etwa ihre Freundin Bonus-Jeep. Ein Lachen so aufrichtig, mitfühlend und warm wie Käthe Kollwitz es selbst war. Vielleicht ist es, wie die Künstlerin Auguste von Zitzewitz einst formuliert:
»Sie ist gerade weil sie um das Schwere im Leben so viel weiß, so viel Mitleiden fühlt, so gerne bereit, sich auch mitzufreuen."

L. Busch