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Bild der 20. Woche - 16. Mai bis 22. Mai 2022
Das Gemälde »Zwei weibliche Halbakte« aus dem Jahr 1919 von Otto Müller hat für die Stadt Köln und besonders für das Museum Ludwig eine ausgesprochene Bedeutung. Das Werk wurde 1999 als eines der ersten Kunstgegenstände aus einem deutschen Museum nach den Maßgaben der Washingtoner Konferenz restituiert.
Bei der sogenannten Washingtoner Konferenz 1998 verpflichteten sich 44 Länder zur aktiven Suche nach Raubkunst und zur Findung von gerechten und fairen Lösungen. 1999 folgte die »Gemeinsame Erklärung« von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden Deutschlands, um die Identifizierung und Rückgabe von NS-Raubgut zu den Kernaufgaben der öffentlichen Kultureinrichtungen zu machen.
Somit gehört Otto Müllers Werk zur Frühphase der Provenienzforschung, der Forschung nach der Herkunft und der verschiedenen Besitzverhältnisse von Kunst- und Kulturgüter, die seitdem ein wichtiger Bestandteil der Aufgaben der Museen und der Stadt Köln geworden ist. Die Stadt Köln führte 2007 als erste deutsche Stadt eine koordinierte museumsübergreifende Referent*innenstelle Provenienzforschung im Dezernat für Kunst und Kultur ein und machte die Forschung nach Raubkunstwerken damit zur bedeutenden und dauerhaften Aufgabe. Seitdem 1999 konnten fünf mehrjährige Projekte in Köln durchgeführt und faire und gerechte Lösungen für 26 Kunstwerke gefunden werden.
Wichtige Partner bei der Bewältigung dieser Aufgaben bilden das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste als Koordinationsstelle und der internationale Arbeitskreis Provenienzforschung. Wesentliche Grundlage für die Herkunftsforschung bilden die sogenannten »Handreichungen« der Bundesregierung zur Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung, die seit 2001 Hilfestellungen bei dem Umgang mit NS-geraubten Kulturgut geben und seitdem mehrfach über- und ausgearbeitet wurden.
Seit der Restitution der »Zwei weiblichen Halbakte« hat sich viel getan. Aber wie kam es zu dieser Rückgabe? Als 1999 im Museum Ludwig erste Hinweise auftauchten, dass Otto Müllers Werk aus der Breslauer Sammlung Ismar Littmann, einem jüdischen Rechtsanwalt und bedeutenden Kunstsammler, stammen könnte, wurden schnellstmöglich Recherchen nach der Herkunft begonnen. Ergebnis war, dass Ismar Littmann in den 1930er Jahren aufgrund seiner jüdischen Abstammung nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verfolgt wurde. Dies trieb Littmann 1934 zum Selbstmord. Seine Nachfahren gaben das Werk zur Versteigerung in das Auktionshaus Max Perl in Berlin. Das Gemälde wurde jedoch vor Versteigerung von den Nationalsozialisten konfisziert und 1937 in der Ausstellung »Entartete Kunst« präsentiert. 1940 erwarb es der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, der es an den Kölner Sammler Josef Haubrich verkaufte. Durch die Schenkung Haubrich gelangte das Werk 1946 in das Wallraf-Richartz-Museum und 1976 ins Museum Ludwig.
Durch die Recherchen wurde deutlich, dass es sich bei dem Gemälde um ein NS-Raubkunstwerk handelte. Daraufhin wurden die 82-jährige, in Israel lebende Tochter Littmanns mit ihrem Ehemann im November 1999 nach Köln eingeladen, um das Werk in Augenschein zu nehmen. Dieses Treffen hatte eine besondere Bedeutung für die Familie Littmann und auch für die Stadt Köln. Einen Monat später wurde das Gemälde nach Beschluss des Rates der Stadt Köln an die Erben Littmanns restituiert. Sie ermöglichten dem Museum Ludwig das Kunstwerk wieder zu erwerben, wo es heute noch im Zusammenhang mit der Stiftung Haubrich zu sehen ist.
A. Rehbach