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Bild der 12. Woche - 21. März bis 27. März 2022
Machen Sie doch beim nächsten Besuch eines kunsthistorischen Museums mal ein Experiment: Schauen Sie sich unter den dargestellten Personen in historischen Gemälden um. Wie viele sehen so aus wie Sie? Je nach Ausrichtung des Museums sieht die Antwort natürlich anders aus. Doch etwas lässt sich in den meisten Museen beobachten: Sind sie eine Frau? Dann finden Sie zwar Frauen, die aber vermutlich einem bestimmten äußeren Ideal entsprechen und für einen männlichen Blick festgehalten wurden. Haben Sie eine sichtbare Behinderung? Dann stehen Ihre Chancen schlecht. Sind Sie eine Person of Color? Nicht-weiße Personen sind nur schwer zu finden. Sind Sie Schwarz? Dann brauchen sie schon Glück, um eine Personen zu finden, die aussieht wie Sie.
Hier und da werden Ihnen aber Schwarze Menschen auf Gemälden begegnen und sie werden feststellen: Diese Menschen sind fast immer alleine inmitten von weißen Personen dargestellt. Sie tragen keine Namen und werden als Objekt, als Besitz dargestellt. Sie tauchen in kolonialen Kontexten auf und dienen zur Illustration von Prestige, Reichtum und Macht weißer Personen.
Lubaina Himid, Künstlerin aus Großbritannien, hat diese Erfahrung, die sie selbst schon als Kind beim Besuch von Museen gemacht hat, zu verschiedenen Kunstwerken inspiriert. Sie nimmt dazu Schwarze Menschen aus Historiengemälden und macht sie zu Subjekten – sie gibt ihnen Namen, Biografien und ebenbürtige Beziehungen.
In »Naming the Money« (2004) hat sie 100 fiktive Personen, Schwarze Diener und versklavte Menschen als lebensgroße Aufsteller geschaffen und ihnen auf der Rückseite Namen, Berufe und Biografien gegeben. Besucher*innen konnten sich in dieser Installation bewegen und sich unter die Aufsteller mischen, ein Teil der Installation werden, sich wiederfinden.
Auch im Werk »Le Rodeur: The Cabin« (Le Rodeur: Die Kajüte, 2017) aus der Sammlung des Museum Ludwig arbeitete Himid in dieser Weise. Als Ausgangspunkt ihrer Arbeit nahm sie ein Historiengemälde aus dem 18. Jahrhundert. Dort sieht man den Kapitän in seiner Kajüte in Anwesenheit von vier weiteren Männer. Himid übernimmt die Szenerie in ihrem Werk, entfernt jedoch die weißen Männer. Den Schwarzen Musiker rückt sie ins Zentrum des Bildes und aus dem weißen Koch macht sie einen Schwarzen Koch. Beide Männer setzt sie in Beziehung zu einander: Der Musiker spielt nun nicht mehr für einen Herren sondern für sie beide. Der Koch hält einen Pudding, den sie beide zusammen am schon gedeckten Tisch essen werden.
Das Werk ist Teil einer Reihe von insgesamt fünf Malereien unter dem Titel »Le Rodeur«. Der Titel bezieht sich auf ein historisches Ereignis im Jahr 1819, bei dem auf einem französischen Schiff gleichen Namens 36 versklavte Menschen aus Westafrika auf brutale und entmenschlichte Art und Weise und aus rein ökonomischen Gründen ermordet wurden. Himid thematisiert diese schwer auszuhaltende und zutiefst rassistische Tat in ihren Werken, stellt sie aber nicht direkt da. Sie versucht die Gefühle – den »Geist« der Ereignisse – zu vermitteln. Im Gemälde »Le Rodeur: The Cabin« verzichtet sie sogar ganz auf diesen Bezug darauf und schafft eine positive, bestärkende Szene: zwei Schwarze Männer, auf einem Schiff, in einer Beziehung.
Vielleicht stellen Sie sich ja beim nächsten Besuch eines Kunstmuseums vor, wie die Schwarzen Personen und Menschen of Color ihr einsames Dasein im Gemälde verlassen und sich im Museumsraum versammeln, sich kennen lernen, sich trösten, gemeinsam lachen und feiern. Das würde Lubaina Himid bestimmt gefallen.
D. Fasel