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Kölns kolossaler Kaiserkopf: ein Porträt des Titus Flavius Domitian

Bild der 17. Woche - 25. April bis 1. Mai 2022

Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln, 1. Jahrhundert n. Chr., Carrara-Marmor, Inv. Nr. Stein 667

Der überlebensgroße Porträtkopf eines römischen Kaisers kam 1901 beim Bau der großen Markthalle auf dem südlichen Heumarkt zutage (heute Standort des Maritim-Hotels) und gelangte nach einer unglaublichen, sozusagen jecken und daher für Köln nicht untypischen Fundgeschichte letztendlich als eines der ganz prominenten antiken Kölner Fundstücke ins Römisch-Germanische Museum.

Der Marmorkopf – das bisher einzige in Köln gefundene antike Kaiserporträt – gehörte zu einer kolossalen Figur, die einst im Regierungsviertel des römischen Köln an repräsentativer Stelle aufgestellt war. Möglicherweise im Prätorium, dem Sitz der römischen Administration, vielleicht aber auch auf dem Forum, jedenfalls in der Umgebung des heutigen Heumarkts.

Bei dem Kaiser handelt es sich um Domitian – Titus Flavius Domitian. Regierungszeit 81 – 96 n. Chr. Der hat Köln zur Hauptstadt der Provinz Niedergermanien erhoben. Domitian heißt der kolossale Kaiserkopf jedoch erst seit Kurzem.

Anfänglich brachte man das Porträt mit dem kaiserlichen Prinzen und Feldherrn Drusus in Verbindung, der gemeinsam mit seinem Bruder, dem späteren Kaiser Tiberius in den Jahren zwischen 12 und 9 v. Chr. Feldzüge gegen die rechtsrheinischen Germanen führte und mit seinen Truppen bis zur Nordsee und zur Elbe vordrang. Der Stiefsohn des Kaisers Augustus und Vater des Kaisers Claudius starb tragisch auf dem Rückmarsch aus Germanien durch einen Sturz vom Pferd.

Später galt der Marmorkopf jahrzehntelang als Porträt des Marcus Vipsanius Agrippa, Feldherr, Mitregent, Freund und Schwiegersohn des Kaiser Augustus, aber auch Großvater von Agrippina, der Stadtmutter des römischen Köln. Unter der gallischen Statthalterschaft des Agrippa wurde Köln kurz vor der Zeitenwende als Hauptstadt der geplanten Großprovinz Germanien angelegt.

Dann nahmen Wissenschaftler das Porträt noch einmal unter die Lupe. Mit dem Ergebnis, dass es sich bei dem Kopf um ein Porträt des Kaisers Claudius handeln müsse. Dieser Herrscher hat Köln um 50 n. Chr. als Geburtsstadt seiner Gattin Agrippina in den Rang einer Colonia erhoben: Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), ausgestattet z. B. mit Steuerprivilegien, die der Stadt zu wirtschaftlicher Blüte verhalfen. Hier wurden Waren aus allen Teilen des Imperium Romanum umgeschlagen, hier gingen Kölner Produkte hinaus ins Römische Reich.

Der kolossale Kölner Kaiserkopf stand jedoch weiter in der wissenschaftlichen Diskussion. Heute wird das Porträt dem Kaiser Domitian zugeschrieben. Dieser Herrscher folgte seinem Vater Vespasian und seinem ermordeten Bruder Titus im Jahr 81 n. Chr. auf den Thron des Imperium Romanum. Seine 15-jährige Regierungszeit wird von antiken Schriftstellern wie Tacitus, Sueton, Plinius dem Jüngeren und Juvenal kontrovers beurteilt. Für das römische Köln ist Kaiser Domitian jedoch von großer und positiv geprägter Bedeutung: Er bestimmte gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. die CCAA zur Hauptstadt der von ihm neu eingerichteten Provinz Germania inferior und war vermutlich Initiator und Finanzier der steinernen Stadtmauer, des mächtigsten Bauwerks des römischen Köln. Unter seiner Herrschaft brach an der Rheingrenze zur Germania magna eine 100-jährige Friedensperiode an.

Die bemerkenswerte Forschungs- und Deutungsgeschichte des Kaiserkopfes ist hier jedoch noch nicht zu Ende. Es konnte nämlich außerdem festgestellt werden, dass unser Domitian-Porträt ursprünglich ein Porträt des Kaisers Nero war. Nero, der Sohn der Kölner Stadtmutter Agrippina, war nach seinem schmachvollen Tod der damnatio memoriae verfallen, d. h. die Erinnerung an ihn sollte ausgelöscht werden: sein Name wurde aus den Inschriften getilgt, seine Bildnisse wurden zerstört – oder eben – wie bei unserem Kopf – umgearbeitet. Nero und Domitian glichen sich, ohne verwandt zu sein, das erleichterte das Recycling. Beide waren in fortgeschrittenem Alter feist und stiernackig; und auch in Fähigkeit und Charakter ähnelten sie sich.

Fazit: Fünf Herrscher- und Führungspersönlichkeiten lässt die Forschungsgeschichte rund um Kölns kolossalen Kaiserkopf Revue passieren und illustriert damit über einhundert Jahre römische Geschichte in Köln.

Und was war mit der jecken Fundgeschichte? Bei der Entdeckung im Jahr 1901 wurde der Kopf als moderne Skulptur verkannt, auf den Abraum der Baugrube am Heumarkt geworfen, auf eine Bauschutthalde nach Klettenberg abgefahren und zehn Jahre später dort bei Anlage einer neuen Straße (heute Ölbergstraße) zwischen Luxemburger und Berrenrather Straße wieder gefunden. Erst da erkannte man das Fundstück als ein originales Porträt aus römischer Zeit!

M. Euskirchen