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Von Kamerun über Braunschweig und Düsseldorf nach Köln

Bild der 23. Woche - 7. Juni bis 13. Juni 2021

lefem, Porträt eines Würdenträgers, Bangwa, vor 1901, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, Helmut Buchen, rba_c022845

Die Provenienzforschung widmet sich der Erforschung der Herkunftsgeschichte von Kunstwerken und Kulturgütern und ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit an den Kölner Museen. Zunächst diente sie der Klärung von Zuschreibungen und Authentizität von Kunstwerken. Im Mittelpunkt der Provenienzforschung steht heute jedoch die Identifizierung sogenannter Raubkunst als Grundlage sowohl für die Rückgabe von NS-Raubkunst als auch von Objekten aus dem kolonialen Unrechtskontext.

Geschichte(n) einer Bangwa-Skulptur im Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt

Diese Skulptur ist das Porträt eines Würdenträgers (lefem) mit einer Tabakpfeife als Statussymbol. Sie wurde 1901 zur Zeit der deutschen Besetzung des heutigen Kameruns als Kriegsbeute entwendet. Zuvor kam der im kolonialen Dienst tätige Gustav Conrau 1898 in die Bangwa-Hochlandregion, um für die deutschen Plantagen im Küstengebiet Arbeiter*innen anzuwerben. Fon Assunganyi (*um 1880, †1952), König von Fontem, einer der neun Könige der Bangwa-Region, stellte Conrau ca. 60 Menschen für die Plantagenarbeit zur Verfügung. Ein Jahr später kehrte Conrau jedoch ohne die Arbeiter zurück, woraufhin Gerüchte über deren Tod kursierten.

Als Conrau um weitere Arbeiter*innen bat, entbrannte ein Konflikt, bei dem Assunganyi Conrau festnehmen ließ. Conrau flüchtete daraufhin und erschoss sich während seines Fluchtversuches. Da die Deutschen Assunganyi für Conraus Tod verantwortlich machten, rächten sie sich mit gewaltvollen Überfällen auf die Bangwa-Dörfer, die aufgrund des beharrlichen Widerstands der Bewohner*innen vier Jahre andauerten. Als Folge dessen war Leutnant Kurt Strümpell für die »Eintreibung einer auferlegten Kriegsentschädigung« (so der damalige Befehl der sog. Kaiserlichen Schutztruppe, vgl. Deutsches Kolonialblatt von 1901, S. 314) zuständig, bei der er unter anderem diese Skulptur entwendete, die er 1902 dem Städtischen Museum Braunschweig schenkte. 1955 tauschte sie der Düsseldorfer Sammler Klaus Clausmeyer gegen andere Objekte ein und überließ sie 1966 dem Rautenstrauch-Joest-Museum. Hier war sie bis vor kurzem Teil der Dauerausstellung.

Die Geschichte dieses Kolonialkriegs blieb im Palast von Fontem bis heute in lebendiger Erinnerung, während die Ereignisse in hiesiger Überlieferung lediglich unter dem verschleiernden Terminus der »Strafexpeditionen« rekonstruiert werden. Einen Eindruck über die asymmetrische Erinnerung an die Kolonialzeit auf kamerunischer und auf deutscher Seite vermittelt die Webseite www.deutschland-postkolonial.de anhand von Interviews, die 2016 u. a. im Palast von Fontem geführt wurden.


Das Rautenstrauch-Joest-Museum bemüht sich in Zusammenarbeit mit dem Städtischen Museum Braunschweig um einen adäquaten Dialog mit Vertreter*innen der Bangwa.

Y. Karakis, R. Marquez-Garcia