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Weltkunst in der Sternengasse

Bild der 13. Woche - 31. März bis 6. April 2014

Charles Le Brun (1619-1690)
Jabach’sches Familienbild, 1660
Ölgemälde auf Leinwand; 233,5 x 325 cm
Foto: The Department for Culture, Media and Sport

Im 18. Jahrhundert gab es in der Kölner Sternengasse (s.a. BdW 18/2000 und 01/2004) ein Kunstwerk, dass für die durchreisende Prominenz ein „must“ war. Es handelte sich nicht um ein Meisterwerk des kölnischen Mittelalters, sondern des französischen Barock, das Jabach’sche Familienbild von Charles Le Brun. Diese heute so gesichtslose Straße im Bereich Cäcilienstraße/Nord-Süd-Fahrt hatte im 17. Jahrhundert die Familie Rubens gesehen, aber auch die französische Königin Maria de Medici, im späten 18. Jahrhundert debütierte im Schustergaffelhaus der junge Beethoven. Vor allem aber stand hier der Jabacher Hof (Sternengasse 25 und 25a).

Die Familie Jabach, seit dem 14. Jahrthundert als Fell- und Pelzhändler in Köln ansässig, war im Laufe der Zeit mit ihrer Firma zu einem international erfolgreich tätigen und sehr wohlhabenden Handelshaus geworden. Besonders Eberhard III und Eberhard IV sind bis heute in Erinnerung geblieben. Eberhard III heiratete 1594 Anna Reuter, drei Jahre später erhielt das junge Paar ein Anwesen in der Sternengasse, das Eberhards Mutter Hilgen Wickrath geerbt hatte und wo die Firma zunächst Kontor und Lagerräume unterhielt. Erst 1615 sollte die mittlerweile siebenköpfige Familie dorthin umziehen. Die wirtschaftlichen Erfolge ermöglichten den luxuriösen Um- und Ausbau des Jabacher Hofes. Der 8,40 x 6,20 Meter große Gartensaal erhielt ein prachtvolles Sterngewölbe und für die neue moderne Treppe wurde ein altertümlich anmutender, 20 Meter hoher ‚Ritterturm’ errichtet. Im Obergeschoss des Hauses fand eine Hauskapelle Platz mit wertvollen Kunstgegenständen, darunter die Dürer-Tafeln, von denen sich eine im Wallraf-Richartz-Museum befindet (s. KEK).

Das Ehepaar Jabach-Reuter bekam nach fünf Töchtern erst spät den ersehnten Nachfolger. 1618 wurde Everhard IV geboren, der es zu europäischer Berühmtheit bringen sollte. Everhard III starb 1636, seine Ehefrau 1637. Beide hatten testamentarisch verfügt, dass sie für ihre Pfarrkirche St. Peter einen Hochaltar stiften wollten. Die Bauten hatte Anna noch ausführen lassen, für das Altarbild konnte Peter Paul Rubens gewonnen werden. Seit 1641 ziert seine Petruskreuzigung die Kölner Kirche St. Peter.

Everhard IV aber zog es zunächst nach London und schließlich nach Paris. Hier erwies er sich als äußerst tüchtig als Bankier und Handelsherr, er gehörte bald zu den Finanzberatern Kardinal Mazarins. 1648 heiratete er in Köln die 24-jährige Anna Maria de Groote, die Tochter seiner Kusine Sibilla Duisterloe und Heinrichs de Groote (wobei die Familie Jabach ihre Ehepartner gerne im familiären Umfeld suchte). Das Paar zog nach Paris. Everhard besuchte seine Heimatstadt kaum noch, zuletzt wohl 1656, behielt aber ein Leben lang die Kölner Bürgerschaft, auch nachdem er französischer Staatsbürger geworden war.

Zwischenzeitlich hatte er einen großen Coup gelandet – bei der Versteigerung der Sammlungen des hingerichteten englischen Königs Charles I. ab 1649 im sog. Commonwealth Sale konnte er die Vertreter der großen europäischen Monarchen überbieten und triumphierend nach Paris zurückkehren. Der junge Stararchitekt Pierre Bullet errichtete für ihn 1659 ein Palais an der Ecke Rue St.-Martin/Rue St.-Merri (1938 abgebrochen, heute Vorplatz des Centre Pompidou), ausgestattet wurde es nach Entwürfen Charles Le Bruns, der auch das große Familienbild malte.

Auf diesem Bild erkennt man zwei leuchtende Pole – links sitzt das Familienoberhaupt Everhard, dem der Maler sehr schmeichelte, umgeben von seinen Sammlungen, dabei deutet er demonstrativ auf eine Biblia Sacra, während der Kopf eines antiken Philosophen auf dem Boden liegt. Rechts strahlt die als sanft und schön geschilderte Mutter Anna Maria umgeben von ihren Kindern: Maria Anna (1650–1706), Helena (1654–1701) und Everhard (1656–1721) sowie dem Säugling Heinrich (1659–1709). Die jüngste, früh verstorbene Tochter Anna Catharina kam erst 1661 zur Welt. Links im Spiegel hat sich Le Brun selbst porträtiert. Man ist fast an ein königliches Familienbild des 1660 verstorbenen Velazquez erinnert.

Zehn Jahre später hatten Sammelleidenschaft gepaart mit geschäftlichen Misserfolgen Everhard in finanzielle Bedrängnis gebracht. Er verkaufte einen Großteil seiner Sammlungen an den französischen König Louis XIV., später bildeten sie mit den Werken aus dem Nachlass Mazarins den Grundstock der Sammlungen des Musée du Louvre. Jabach stellte fast umgehend eine neue Sammlung zusammen, die nach seinem Tod 1695 zum großen Teil jedoch verkauft wurde. Nicht jedoch das Familienbild, von dem es eine Zweitausfertigung bei den De Grootes in Köln gab. Das Bild gelangte spätestens zu Beginn des 18. Jahrhunderts, nach dem Tod der Mutter 1701, nach Köln, als Maria Anna, die mit ihrem aus Köln gebürtigen Ehemann Nicolaus Fourment die einträgliche väterliche Büffelhautgerberei in Corbeil-Essonnes und das Paris Hôtel Jabach übernommen hatte, das Hôtel veräußerte. Das Familienbild hing fortan im Kölner Stammhaus.

Hier lebte seit 1680 Everhard V mit seiner Frau Maria Magdalena Pelser. Das Paar hatte sechs Söhne und vier Töchter, blieb aber ohne Enkel. Als letzte dieses Familienzweigs starb 1772 Maria Esther Dulman, Witwe von Everhard VI. Der Besitz gelangte an entfernte Verwandte. Nur das Le Brun’sche Familienbild überstand alle Erbteilungen in der Sternengasse. Der Ruhm des Hauses hielt an. Goethe besuchte den Jabacher Hof 1774 und 1788, andere Besucher folgten.

Das Familienbild aber wurde 1791 an den Baseler Kunsthändler Christian von Mechel verkauft; dieser veräußerte es umgehend an den Bankier Henry Hope für 10.000 berg. Taler nach Haarlem. Hope floh 1795 vor den französischen Revolutionstruppen nach London. 1816 wurde es hier von W. Taylor für 48 Pfund ersteigert und galt seitdem als verschollen. Anfang 2014 tauchte es wieder auf. Es steht für rd. 7 Mio Pfund zum Verkauf, unterliegt aber einer Verkaufssperre, da die britische Regierung versuchen will, das Bild als nationalen Kunstschatz im Land zu halten.

Bis zum jüngsten Wiederauftauchen des Bildes blieb – außer Schwarzweißabbildungen – nur Goethes blumige Beschreibung: „Der ehemalige, reiche Inhaber dieser Wohnung saß mit seiner Frau, von Kindern umgeben, abgebildet, alle gegenwärtig, frisch und lebendig, wie von gestern, ja von heute, und doch waren sie alle vorübergegangen. Auch diese frischen, rundbäckigen Kinder hatten gealtert, und ohne diese kunstreiche Abbildung wäre kein Gedächtnis von ihnen geblieben.“ (aus: Dichtung und Wahrheit, 3. Teil, 14. Buch). Nun gibt es zumindest eine farbige Abbildung, auch wenn der Zustand des Bildes eine Restaurierung nahezulegen scheint.

Die Zweitfassung des Bildes im Besitz der De Groote befand sich seit 1660 in der Glockengasse, bis das Haus in französischer Zeit zwangsverkauft wurde. Das Gemälde kam nun in die Sternengasse, wo es 1815 ebenfalls von Goethe besichtigt wurde. 1836 wurde es öffentlich versteigert, weil die Erben Geld haben wollten. Es wurde für 1960 Taler verkauft und gelangte schließlich 1837 in die Berliner Gemäldegalerie, wo es 1945 verbrannte.

 

R. Wagner