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Bild der 27. Woche - 4. bis 10. Juli 2011
Am 1. Juli jährt sich die Eröffnung des ersten Museumsgebäudes des Wallraf zum 150. Mal. Anläßlich dieses Jubiläums erscheinen an dieser Stelle eine Reihe von Bildern der Woche. Heute Teil 2 zu einer der jüngsten Erwerbungen des Museums. Autoren dieses Textes sind Andreas Blühm und Roland Krischel. Im ersten Teil dieses Bildes der Woche ging es vor allem um die jeweiligen Anteile von Jean Honoré Fragonard und Marguerite Gérard an diesem Gemälde. Nun soll noch einmal das dargestellte Thema zur Sprache kommen sowie Herkunft und Zustand des Bildes. Zwei Motive stechen in dem Gemälde besonders hervor: die spiegelnde Kugel und die weiße Katze. Kugeln wie diese waren damals höchst selten und ungeheuer wertvoll. Da sie auch in einem anderen Werk Gérards auftaucht, ist davon auszugehen, dass diese Kugel eine kostbare Requisite der Künstlerin war. Ihre zentrale Position gibt das Interesse an spiegelnden Oberflächen wider, das die holländischen und flämischen Genreszenen und Stillleben des 17. und 18. Jahrhunderts auszeichnete. Die Kugel verleiht der Szene eine gewisse Verspieltheit und Bewegung. Vor allem aber macht sie das Gemälde zu einem außergewöhnlichen Bravourstück, denn eine solche Darstellung erfordert äußerstes technisches Geschick. Die Tradition dieses Kunststückes lässt sich bis in die Renaissance und in die Künstlerlegenden der Antike zurückverfolgen. Schon Plinius berichtet von Augentäuschungen durch Malerei: Pferde, die ihr gemaltes Ebenbild anwieherten, oder Vögel, die nach gemalten Trauben pickten. Diese Anekdoten bildeten in den Kreisen der Künstler, Kenner und Sammler Jahrhunderte lang ein wichtiges Kriterium für die Bewertung auch jeweils aktueller Werke. Tatsächlich wirkt die gemalte Augentäuschung im hier vorgestellten Gemälde bis heute auch auf uns. So nah wir auch an die Kugel herantreten, nie löst sie sich in Pigment und Pinselstrich auf. Im Gegenteil: Wir entdecken noch immer Neues, wie z.B. das Spiegelbild der Malerin selbst an der Staffelei und einen stehenden Mann - vielleicht Fragonard. Über diese Anspielungen hinaus, die aus dem Werk ein Meta-Gemälde, ein Bild über die Malerei also, machen, verweist gerade die Katze noch auf andere Zusammenhänge. Bewusst oder nicht ist ihre Darstellung auch eine Studie in tierischem Verhalten. Dafür war im 18. Jahrhundert das Interesse gewachsen, vielleicht sogar erst entstanden. Hier spiegelt sich - beinahe im wörtlichen Sinne - also auch ein Stück Aufklärung. Wissenschaft wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert schnell popularisiert und erreichte bald weitere Kreise. So bietet die "Angorakatze" eine Fülle von Anknüpfungspunkten für die Forschung und die Vermittlung. Das Gemälde ist ein sehr persönlicher Kommentar zur Kunst: Thematisiert werden nicht nur menschliche Virtuosität und tierisches Verhalten, sondern auch gesellschaftliche Fragestellungen (wie etwa zur Rolle der Künstlerin) sowie - last but not least – die Inspirationsquellen der Kunst. Hinter der anmutigen Fassade steckt also viel mehr als vielleicht auf den ersten Blick ersichtlich. Die Eigentümergeschichte verdient ebenfalls eine wenigstens kursorische Erwähnung: Das Gemälde wurde 1828 von Victor-Louis-Charles de Riquet (1782-1839) erworben, einem französischen Diplomaten, Soldaten und Sammler. Als junger Mann reiste er häufig durch Europa und traf unter anderem Friedrich II., König von Preußen, Katharina die Große von Russland und William Pitt den Jüngeren. Obwohl er zunächst die Revolution unterstützte, war er bald desillusioniert und trat der preußischen Armee bei. 1801 wurde er festgenommen und erst 1814 befreit. Nach einer kurzen Zeit als Botschafter in Berlin verbrachte er vierzehn Jahre als Botschafter in Wien. Danach kehrte er nach Paris zurück. Als großer Kunstliebhaber stellte er eine beeindruckende Sammlung Alter Meister zusammen - das hier vorgestellte Gemälde befand sich in seiner Kollektion auf Augenhöhe mit Werken von Giovanni Bellini, Correggio, Dolci, Guercino, Reni, Claude Lorrain, Vernet, Canaletto, Greuze und Vermeer! Einige Werke seiner Sammlung wurden 1830 in Paris verkauft. Die "Angorakatze" war noch bis zuletzt im Besitz der Familie de Riquet. Die Prüfung des Bildes durch die Abteilung Kunsttechnologie und Restaurierung des Wallraf ergab, dass es nur minimale punktuelle Retuschen aufweist. Die lückenlose Provenienz in einer Familie und das erstmalige Auftauchen im Handel erklären auch, warum die Leinwand nicht doubliert (d.h. auf eine neue Leinwand aufgeklebt) wurde. Das Craquelée ist also ein Zeichen seines besonders unberührten Zustandes.
R. Krischel