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Vom Schein zum Sein – Die Kölner Ringe wurden vor 125 Jahren eröffnet

Bild der 23. Woche - 6. Mai bis 12. Juni 2011

Köln – Hohenzollernring 1886, Fotografie von Johann Heinrich Schönscheidt, 21 x 26,5 cm, Kölnisches Stadtmuseum – Graphische Sammlung

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte auch Köln ein enormes Bevölkerungswachstum. So positiv das für das Prosperieren der Stadt war, so stellte es die Stadt doch vor neue Probleme – der Raum in der mauerumwehrten Stadt, der 700 Jahre ausgereicht hatte, wurde zu eng. Gleichzeitig hemmten Wehrmauer und Bauverbot im militärischen Rayon vor der Stadt deren Entwicklung, Industriebetriebe und Menschen siedelten weit vor der Stadt. Neue Waffentechnologien machten den Rayon vor der Stadt jedoch überflüssig und so verlangte seit etwa 1860 die Frage einer Neuregelung der Festungsverhältnisse sowohl von städtischer wie auch von militärischer Seite nach einer Lösung. 20 Jahre lang zogen sich die Verhandlungen hin (wie sollte es in Köln auch anders sein). 1864 legte der Architekt und Stadtrat Mathias Biercher (1797–1869) eine Denkschrift vor, in der er für eine Verlegung des Festungsgürtels plädierte sowie einen Plan für eine baumbestandene Ringstraße nach Berliner oder Pariser Vorbild vorlegte. 1873–1881 legte das preußische Militär dann seine neuen Befestigungsanlagen vor den Kölner Vororten an und verband sie mit der Militärringstraße. Am 23. Januar 1881 wurde schließlich der Vertrag zwischen Stadt und Kriegsministerium geschlossen, in dem die Stadt Köln ihre eigene Stadtmauer und das zugehörige Militärgelände für 12 Millionen Mark erwarb. Schon 1880 hatte der Stadtrat einen städtebaulichen Wettbewerb für die Gestaltung des neuen Geländes ausgeschrieben. Von Anfang an war vorgesehen, zur Amortisierung der hohen Erwerbungskosten die Stadtmauer abzubrechen und deren Gelände zu verkaufen. Unter 27 Wettbewerbsteilnehmern siegten Josef Stübben (1845–1931) und Karl Henrici (1842–1927) aus Aachen mit ihrem Entwurf „König Rhein“. Seit dem Juni 1881 leitete Stübben als Stadtbaumeister den Ausbau der Neustadt i. W. nach den Siegerplänen, die neben einer – nicht ausgeführten – Verlegung des Hauptbahnhofs südlich des Gereonsgüterbahnhofs (heute: MediaPark) eine große Ringstraße um die Altstadt vn Rheinufer zu Rheinufer in unterschiedlicher Ausgestaltung mit Alleen und Grünanlagen sowie Plätzen mit öffentlichen Gebäuden am Prachtboulevard vorsahen. Diese sechs Kilometer lange Ringstraße wurde am 11. Juni 1886, also vor nunmehr 125 Jahren und genau fünf Jahre nach der ersten Sprengung an der Stadtmauer, feierlich eingeweiht. Sie war in zehn Abschnitte von unterschiedlicher Breite und Gestaltung aufgeteilt, die ihren Namen aus der deutschen Geschichte erhielten. Endpunkte der Abschnitte waren an den Kreuzungen der alten Torstraßen individuell gestaltete Platzanlagen, um die verschiedenen Straßenbreiten harmonisch ineinander zu überführen. Die öffentlichen Bauten wie Opernhaus, Hohenstaufenbad, Museen, Schulen usw. wurden in der Nähe der Reste der alten Mauer und Torbauten platziert. Auch die neuen Kirchen waren an den Blickrichtungen ausgerichtet, was für die katholischen Kirchen bedeutete, dass sie erstmals in Köln nicht in der traditionellen Ost-West-Richtung angelegt waren. Die Ringstraße, der entgegen ihres Namens jegliche Biegung fehlt, war v. a. als repräsentative Wohnstraße mit hochherrschaftlichen Bauten geplant. Das blieb sie auch bis zum Ersten Weltkrieg. Danach kann man eine schlagartige Veränderung feststellen, Viele hatten in Krieg und Inflation ihre Vermögen verloren, die übriggebliebenen Reichen zogen in die ruhigen Villenviertel am Stadtrand. Bald waren die Erdgeschosse in Geschäfte umgewandelt, die darüber liegenden Stockwerke an Ärzte und Anwälte vermietet. Am Kaiser-Wilhelm-Ring bezogen Versicherungen die repräsentativen Bauten, die nach und nach durch Neubauten ersetzt wurden. 1924/25 wurde am Hansaring mit dem Hansahochhaus von Jacob Koerfer das damals höchste Hochhaus Europas errichtet, aber auch an anderen Stellen errichteten Architekten wie Riphahn und Lüttgen moderne Bauten. 1926/27 fielen dem zunehmenden Verkehr die Alleebäume Hohenstaufen-, Habsburger- und Hohenzollernring zum Opfer. An anderen Orten wurden die Grünanlagen entfernt – Köln wollte großstädtischer erscheinen. Das hier vorgestellte Foto von Johann Heinrich Schönscheidt (Stele 1835–1903 Köln) aus der Mappe „Stadterweiterung Köln 1886“ zeigt den Hohenzollernring. Der Blick geht nach Norden, auf die Einmündungen der Limburger Straße mit der „Burg Canossa“ (links) und der Ehrenstraße (rechts). Auf dem Platz stehen – wie überall auf den Plätzen entlang der „Ringe“, wie man sie bald nannte – eine Trinkhalle und eine Litfasssäule. Die Straßenlaternen wurden noch mit Gas betrieben, Elektrizität gab es erst fünf Jahre später. Die Bauten sind im Stil von Neogotik und Neorenaissance errichtet. Anders als in der Altstadt standen breite Grundstücke zur Verfügung und da keine Balkonsteuer gezahlt werden musste, waren Balkone und Erker sehr beliebt. Bei ihrer Einweihung war die Ringstraße alles andere als fertig. Der Ubierring am südlichen Ende wurde i. W. erst nach 1900 bebaut, wodurch dort viele Gebäude im Jugendstil entstanden. Der Deutsche Ring (heute: Theodor-Heuss-Ring) konnte erst zum Rhein weitergebaut werden, nachdem der Rheinauhafen den Sicherheitshafen am Thürmchen ersetzt hatte. Am Hohenzollernring hingegen, der bis heute so etwas wie das Herz der Ringe bildet, war am 22. April 1882 der Grundstein zum ersten Gebäude gelegt worden, ein herrschaftliches Mietshaus von Steuerinspektor Willmeroth (Nr. 58). Direkt daneben (Nr. 56) ließ Stübben sich ein eher schlichtes Haus in der geringstzulässigen Breite errichten, dem die Kölner den Namen „Zum gequetschten Baumeister“ gaben.

R. Wagner