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"Ein Blick sagt mehr als tausend Worte"

Bild der 25. Woche - 20. bis 26. Juni 2011

Frederick Sandys (1829 Norwich – London 1904) Bildnis eines Mädchens / ‚Lady Greensleeves’, 1893, Pastell auf Papier, 124,2 x 68,5 cm, Wallraf-Richartz-Museum – Fondation Corboud, WRM 3621

Dieser Blick zieht den Betrachter unvermeidlich in den Bann. Was denkt dieses Mädchen? Was sagt ihr Blick? Sie wirkt forsch und etwas keck, sogar fast bockig mit den verschränkten Armen. Auch wenn das Gemälde sie nicht lebensgroß abbildet, so hat man trotzdem den Eindruck, sie stünde mit im Raum. Der graue Hintergrund betont ihr von rotblonden Locken umsäumtes Gesicht, dessen große blaue Augen den Betrachter durchdringend anschauen. Das Kleid, welches erst auf den zweiten Blick auffällt, ist aus feinster zartrosa Seide und einem apricotfarbenen Band gegürtet. Den Halsausschnitt begrenzt ein Streifen weißer Seide, wie von einem Unterkleid, der mit der weißen Seide der Haube des Mädchens harmoniert. Ein mit Blumenornamenten in Rot-, Orange- und Grüntönen verzierter Beutel hängt an einer Kordel vom Gürtelband herab. Jede Falte ist detailreich ausgearbeitet, sogar die Nähte der Bekleidung sind deutlich erkennbar. Die grünen, kurzen, leicht gebauschten Ärmel geben dem Mädchenportrait seinen Beinamen „Lady Greensleeves“ (wörtlich übersetzt: Dame Grüne Ärmel, sinngemäß: Dame Grünkleid). In der rechten oberen Ecke des Gemäldes scheint ein Zettel mit Stecknadeln angebracht zu sein. Dieses kleine Beiwerk illusorischer Malerei verstärkt zusätzlich die Realitätsnähe des Gemäldes. Auf dem Zettel steht in schwarzer Frakturschrift, mit rot hervorgehobenen Großbuchstaben: „Greensleeves was all my joy / Greensleeves was my delight / Greensleeves was my hart of gold / And who but Lady Greensleeves“, der Refrain eines bekannten englischen Volksliedes. Das Volkslied, welches von den Wehklagen einer unerwiderten Liebe handelt, scheint nicht Recht zu dem Mädchen zu passen. Sie scheint zu jung, um als Lady Greensleeves umworben zu werden, auch wenn die grünen Ärmel sie eindeutig als solche auszeichnen. Wie die Besungene ist auch das Mädchen in wertvolle Stoffe gekleidet. Durch die realistische Malweise zeigt sie eine ungeheure Präsenz. Ihre verschränkten Arme und der kecke Blick weisen den Betrachter allerdings etwas zurück. Sie verkörpert die unnahbare Präsenz der Lady Greensleeves, dessen Nähe der Singende sucht und nicht bekommt. Dieses Pastellgemälde auf Papier gehört zu dem Spätwerk Frederick Sandys, der es 1893 zeichnete. Sandys wurde 1829 in Norwich geboren und wird als Maler der Künstlergruppe der Präraffaeliten bezeichnet, zu denen er sich nie zugehörig fühlte, deren Mal- und Inspirationsweise er sich jedoch teilweise aneignete. Er malte überwiegend mythologische Themen und Portraits und war als Illustrator für Zeitschriften tätig. Sein Spätwerk ist durch Gemälde in Pastell dominiert, ein Medium, das er technisch perfektionierte.

L. Piters