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Im Land der Morgenstille, Teil 1: Die Hutmode

Bild der 21. Woche - 23. bis 29. Mai 2011

Hutmacher in der Werkstatt - Foto: Adolf Fischer, Korea 1905

Auszüge aus Adolf Fischers „Erfahrungen auf dem Gebiete der Kunst und sonstige Beobachtungen in Ostasien“, vorgetragen in der Sitzung vom 19. Dezember 1908, veröffentlicht in der „Zeitschrift für Ethnologie“, Jahrgang 1909, Heft 1. „Es war im Herbst 1905, als ich Korea bereiste. Damals gab es noch ein in den letzten Zügen liegendes selbständiges Kaiserreich, dessen Tage gezählt waren und das inzwischen eine japanische Provinz geworden. Eine Gewitterschwüle lastete über dem ganzen Land, man stand vor grossen Ereignissen, vor dem letzten Akt einer Komödie, von der man nur nicht wusste, ob sie blutig oder unblutig verlaufen würde, ob man den koreanischen Kaiser als Puppe lassen, oder ihn gleich seiner Gattin – es waren gerade zehn Jahre her, dass sie ermordet wurde – in ein besseres Jenseits befördern, oder ihn zu einem längeren Besuch nach Japan laden würde. Wenn man auch schon allenthalben die lieblose Faust der künftigen Herren zu fühlen bekam, so machte sich dies in der äusseren Erscheinung, in der Tracht, den Sitten des Volkes noch nicht bemerkbar. Ich bekam noch das alte Korea zu sehen, dessen eigenartige Kultur zu verwischen die Japaner die letzten Jahre mit allen erdenklichen Mitteln energisch betrieben haben sollen. In Fusan betrat ich das verschlafene Land der Morgenruhe, wo alle Koreaner wie eine vorgeschriebene Uniform für die vor etwa zwei Jahren verstorbene Kronprinzessin weisse, mit Reisstärke gestreifte, weit abstehende Trauerkleider aus Gazestoff, weisse Schuhe, sowie weisse zylinderartige, nach oben sich verjüngende Hüte mit steif abstehenden Krempen aus durchbrochenem Gazestoff tragen. Der unpraktische Hut, der weder Schutz gegen Sonne, Regen, noch Kälte gewährt, balanziert auf dem Stirnreif, einem steifen, handbreiten Netz aus Pferdehaaren und wird nur durch ein um das Kinn laufendes Band oder durch einen Faden, auf den zolllange Bambusstäbchen aufgereiht sind, festgehalten. (Foto) Bei Beamten und Adeligen tritt an Stelle des Hutes ein aus feinen Bambussplittern gemachte und mit Lack überzogene Krone, die an alttestamentarische Priestermützen erinnert.“ Zum geschichtlichen Hintergrund: Zwischen den mächtigen Nachbarn Russland, China und Japan hatte es das wirtschaftlich und militärisch schwache Korea schwer, seine Eigenständigkeit zu bewahren. Die von Adolf Fischer angesprochene Gattin des koreanischen Kaisers, Königin Min (1851-1895), hatte die Politik Koreas seit ihrer Vermählung mit (damals noch König) Gojong (1852-1919) bestimmt. Sie wurde 1895 aufgrund ihrer Japan ablehnenden Haltung von japanischen und koreanischen Armee- und Polizeieinheiten in ihrem eigenen Palast überfallen und ermordet. Ihr Mann, Gojong, der Korea 1897 zum Kaiserreich proklamierte, versuchte vergebens mit russischer Hilfe den wachsenden japanischen Einfluss auf Korea zurückzudrängen. Nachdem Japan im Krieg gegen Russland 1905 als Sieger hervorgegangen war, wurde Groß-Korea 1905 ein Protektorat Japans. 1907 musste Gojong auf japanischen Druck zu Gunsten seines Sohnes Sunjong (1874-1926) als Kaiser abdanken. Im August 1910 erzwang die japanische Regierung gleichfalls den Rücktritt Sunjongs. Korea wurde nun auch offiziell als Kolonie in das Japanische Kaiserreich eingegliedert. Sunjong, der letzte koreanische Kaiser, starb 1926 in japanischem Hausarrest. Ein Beispiel der koreanischen Hutmode kann in der derzeitigen Sonderausstellung „Entdeckung Korea! – Schätze aus deutschen Museen“ noch bis zum 17. Juli 2011 bewundert werden. Der Hut ist Bestandteil der Alltagsgarderobe des deutschen Diplomaten Paul Georg von Möllendorf (1847-1901), der von Ende 1882 bis 1885 als außenpolitischer Berater im Dienste des koreanischen Königshauses stand. Der Filzhut mit Hutschnur aus geschliffenen Steinen, Pfauenfeder und roter Rosshaarquaste illustriert die hohe Stellung des Besitzers am Königshof. (Leihgabe des Ethnologischen Museums, Staatliche Museen zu Berlin)

Redaktion Bild der Woche