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„... einem neuen Köln Raum schaffen“
Erste Sprengung an der Stadtmauer vor 125 Jahren

Bild der 23. Woche - 5. bis 11. Juni 2006

Die Stelle des Mauerdurchbruchs von 1881 in heutiger Ansicht
links: Gereonshof: Stadtmauer vor der Sprengung, 11. Juni 1881; rechts: Erster Durchbruch nach der Sprengung, Stadtseite – Zulassung des Publikums. Photographien von Anselm Schmitz, Köln, 1881, je 37 x 31 cm. Kölnisches Stadtmuseum – Graphische Sammlung

1881 erwarb die Stadt Köln nach langwierigen Verhandlungen ihre Stadtmauern und das davor liegende Festungsgelände vom preußischen Staat für fast 12 Millionen Mark. Noch im selben Jahr begann man mit der Niederlegung der fast 700 Jahre alten Mauern. Das wurde als städtebauliche Notwendigkeit für eine aufblühende Industriestadt angesehen: Hatte Köln 1820 noch 50.000 Einwohner gehabt, so waren es 1850 schon 95.000 und 1880 fast 145.000. Zuletzt betrug die Bevölkerungsdichte in der von Mauer und Festungsgelände umschlossenen Stadt 36.012 Einwohner je qkm. Die geplante komplette Zerstörung der Mauer hatte aber auch finanzielle Gründe. Nur mit dem Verkauf von Bauland waren die Kosten der Stadterweiterung zu bezahlen gewesen. Wäre die alte Mauer stehen geblieben, hätte man auf 25 Prozent der Einkünfte verzichten müssen. Der damalige Oberbürgermeister Hermann Becker drückte es am 11. Juni 1881 unter dem Rathausportal stehend so aus: „Was jene bauen mußten, damit Köln groß wurde, das müssen wir sprengen, damit Köln nicht klein werde. Wie wir es würdigen, daß ihren Bedürfnissen gemäß unsere Vorfahren schanzten und türmten, so würdigen wir es als unsere Pflicht, ihre Werke niederzulegen, als eine Pflicht, deren längere Versäumung uns in der Gegenwart Spott und in der Zukunft ... harte Verdammung eingetragen hätte. Abbrechen wollen wir, aber nur um aufzubauen. Um des alten Kölns willen wollen wir einem neuen Köln Raum schaffen. ... Wir wollen, daß des Dichters Wort sich unter uns und für unsere Kinder vollziehe: ‚Neues Leben blüht aus den Ruinen!‘ Im Vertrauen auf Kölns Lebenskraft lassen sie uns bewußten und darum getrosten Sinnes an das große Werk gehen, dem alten Köln die bisher einzig fehlende Bedingung für ein neues Köln zu bereiten, unter dem Rufe ....: Alaaf Köln!“ Anschließend zog man in einem Festzug zur Sprengungsstelle am Halbturm Nr. 32, wo man auf den zweiten Festzug der Militärbehörde traf: Am Gereonshof, Ecke von Werth-Straße wurde die erste Bresche in eine Mauer, die bis dahin allen Feinden getrotzt hatte, gesprengt. Zuvor hatten 20 Pioniere vier Tage lang ihr unterirdisches Werk zur Vorbereitung der Sprengung verrichtet. Der Oberbürgermeister bestieg die Trümmer und brachte das übliche Hoch auf den Kaiser aus. Ein Ergebenheitstelegramm zeigte diesem den ersten Schritt der Stadterweiterung an. Nun konnte mit dem Bau der Neustadt begonnen werden. Von der alten Mauer blieben nur die drei Torburgen Severinstor, Hahnentor und Eigelsteintor, drei kurze Mauerstrecken mit fünf Türmen an der Bottmühle, am Sachsenring und am Hansaring, der Bayenturm sowie das Türmchen vor dem Kunibertstor, die „Weckschnapp“, erhalten. Die Kölner Altertumsfreunde, darunter auch Oberbürgermeister Becker, hatten den Erhalt von größeren Teilen der Mauer und allen Torburgen gefordert, unterlagen aber den von Stadtrat Wilhelm Kaesen und der örtlichen Presse angeführten Abrissbefürwortern. Nur das Eingreifen des preußischen Staates rettete wenigstens einen Teil der alten Befestigungen. Der ehemalige Stadtkonservator Hans Vogts sprach noch 1950 von dem „unersetzlichen Verlust, den das Abendland durch den so unnötig weitgehenden Abbruch dieses Kölner Befestigungswerks, eines weltgeschichtlichen Denkmals, für immer erlitten“ habe.

R. Wagner