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Liebesverbot für Venus?

Bild der 26. Woche - 26. Juni bis 3. Juli 2000

Maerten van Heemskerck (1498-1574) - Venus und Amor, datiert 1545, Öl auf Eichenholz 108 x 157 cm; Köln, Wallraf-Richartz-Museum, WRM 875

Warum hält Venus, Göttin der Liebe, Amors Bogen fest, erregt doch Amor durch das Verschießen seiner Pfeile mit goldenen Spitzen Liebe bei Göttern und Menschen? Offenbar will die Göttin vermeiden, daß Amor durch seine Pfeile weitere Liebesverhältnisse begründet. Ein merkwürdiger Widerspruch entsteht so: Die Göttin der Liebe wendet sich gegen die Liebe...? Der niederländische Maler Maerten van Heemskerck (1498-1574) hat sein 1545 datiertes Bild Venus und Amor mit einer Reihe von Hinweisen versehen, die uns helfen, diesen Widerspruch aufzulösen und so den Inhalt des Bildes zu entschlüsseln. Rechts im Mittelgrund der Tafel ist Vulcanus, der ältliche und hinkende Ehemann der Venus, zu sehen. Dieser trägt zusammen mit einem Gehilfen ein Netz,. ein deutlicher Hinweis auf eine Geschichte, die uns der römische Dichter Ovid in seinen Metamorphosen (vollendet um 8 n. Chr.) berichtet: Venus unterhält ein Liebesverhältnis mit dem Kriegsgott Mars, was natürlich Vulcanus' Mißfallen erregt. So sinnt er auf Rache und auf Beendigung der Seitensprünge seiner Frau. Da Vulcanus ein begnadeter Schmied ist, fertigt er ein Netz an, das so fein wie Spinnweben ist und jeder noch so kleinen Bewegung folgt. Er legt das Netz rings um das gemeinsame Lager von Mars und Venus und fängt so seine Frau und deren Geliebten. Der eifersüchtige Ehemann läßt beide dann durch die anderen Götter verspotten. Ist dieser mythologische Hintergrund bekannt, wird auch verständlich, warum Venus Amor am Verschießen seiner Pfeile hindern will. Venus weiß - oder ahnt zumindest - was mit dem Netz, das Vulcanus im Hintergrund trägt, geschehen soll. Die mythische Anspielung ist aber nicht der einzige Hinweis, den Heemskerck uns gibt. Eine weitere Hilfe bietet ein kleiner Text, der sich auf dem weißen Feld unten links im Bild befindet. Leider sind die Buchstaben sehr verblasst, doch mit Hilfe von Röntgenstrahlen sind sie noch zu lesen. Die Übersetzung des (lateinischen) Textes lautet: "Die Mutter tadelte Amor mit folgenden Worten / es rasten (jetzt) der Bogen und deine frechen Pfeile / da du manchmal verspottetest / diesen (meinen) Leib und Jupiter mit deinem Pfeil / du versündigst dich, weil du den frevelhaften (Pfeil) so oft abschießt." Spätestens jetzt wird offenbar, warum Venus Amors Bogen festhält. Sie will nicht, daß weitere Pfeile verschossen werden, ja, sie warnt sogar vor den Folgen der (körperlichen) Liebe, wobei sie die Verantwortung ganz auf ihren Sohn verlagert. An der Wende vom 15. zum 16. Jhdt. erobern weltliche Themen mit Macht die nordeuropäische Tafelmalerei. Fast alle diese Themen, die sehr oft der antiken Mythologie und Dichtung entstammen, werden jedoch christlich bzw. moralisch untermauert und entsprechend umgedeutet, als hätten die Künstler und ihre Auftraggeber ein schlechtes Gewissen, sich von den Themen der Bibel und der Heiligenlegenden abzuwenden. Natürlich bedurfte es gerade bei der Darstellung von Nacktheit solch moralischer Rechtfertigungen, wodurch aber - wie auf Heemskercks Bild - ausgesprochen reizvolle Widersprüche entstehen: Die schöne Venus selbst warnt uns vor den bitteren Folgen von Schönheit und Triebhaftigkeit...

Th. Blisniewski