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„Winterfreuden“

Bild der 07. Woche - 15. Februar bis 21. Februar 2016

Hendrick Avercamp (1585-1634): Winterlandschaft, ca. 1605. Holz, 25 x 34 cm, Inv. WRM 1319 (Foto: RBA)

Detail: Ein so genannter Segelschlitten dient während der kalten Monate als Schiffsersatz.
Detail: Ein Mann mit dem typischen, langen Kolfschläger holt gerade zum Schlag aus.

Auf einem zugefrorenen Wasserlauf rings um ein schlossartiges Gebäude vergnügen sich zahlreiche Menschen beim Eislaufen. Männer und Frauen aller Schichten und Altersstufen sind bei dieser Freizeitbeschäftigung vereint. In zahlreichen Details hat der Maler die Atmosphäre eines grauen Wintertages eingefangen. Spaziergänger am Ufer schauen den Eisläufern zu. Eine Frau am linken Ufer ist bereits hingefallen und unterhalb der Brücke ist offenbar jemand eingebrochen. Aufgeregt gestikulierende Figuren auf der Brücke und rings um die Einbruchstelle lenken die Aufmerksamkeit auf das Unglück und versuchen zu helfen.

Im Vordergrund hebt sich ein wohlhabendes Paar in modischer, bunter Kleidung von den ansonsten in dunklen Farben gekleideten Figuren ab. Im Dunst sind links im Hintergrund eine Dorfkirche und rechts eingefrorene Schiffe zu erkennen. Das Bild wird von zwei kahlen Bäumen gerahmt, in deren Ästen sich ein Schwarm Elstern niedergelassen hat. Unter einem der Bäume verrichtet ein Mann gerade sein Geschäft – auch dies aufgrund der zugefrorenen Wasserwege vielleicht als wintertypische Tätigkeit anzusehen. Seinen Mantel hat er vorher über einen Ast gehängt. Auf dem Stamm dieses Baums hat der Maler mit seinen Initialen signiert.

Bilder von Schlittschuhläufern sind in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts zahlreich zu finden. Hendrick Avercamp, der Maler des Bildes, gilt als einer der ersten, der diese Darstellungen entwickelte. Zeit seines Lebens malte er fast ausschließlich derartige Winterbilder. Dieses Bild ist eines seiner frühesten Bilder. Was aber machte derartige Darstellungen von Schlittschuhläufern so beliebt? Wie bei vielen Sujets der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts ist auch hier eine moralische Bedeutung vermutet worden.

Tatsächlich gibt es eine Anzahl von Sprichwörtern und Stichen mit Beischriften, in denen das Eislaufen sinnbildhaft für die Ungewissheit des menschlichen Lebens steht. Doch kann die Bedeutung derartiger Sinnsprüche und Embleme wohl kaum auf alle Eisläufer-Darstellungen übertragen werden. Ganz sicher trug zur Beliebtheit derartiger Darstellungen auch bei, dass es sich beim Schlittschuhlaufen im 17. Jahrhundert um ein noch junges, modisches Freizeitvergnügen handelte. Zwar war das Schlittschuhlaufen in den Niederlanden bereits im Mittelalter bekannt, doch zu einem beliebten Zeitvertreib entwickelte es sich erst im 17. Jahrhundert. Dies ist wiederum darauf zurückzuführen, dass von etwa 1550 bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die so genannte „Kleine Eiszeit“ stattfand. Die Durchschnittstemperatur im Sommer wie im Winter war niedriger war als heute.

Auch andere Eisvergnügen wurden nun beliebt, so etwa das Kolfspiel, ein Vorläufer des heutigen Golf bzw. Eishockey. Auch dies ist im rechten Mittelgrund des Bildes dargestellt, wo ein Mann mit dem typischen, langen Kolfschläger gerade zum Schlag ausholt (s. Bild rechts). Im linken Hintergrund unterhalb der Dorfkirche lässt sich ein für die holländische Winterlandschaft weiteres typisches Motiv erkennen: Ein so genannter Segelschlitten, der während der kalten Monate als Schiffsersatz dienen konnte (s. Bild rechts).

Doch ist diese Darstellung mit Sicherheit kein Abbild einer realen Szene. Wie alle Landschaftsbilder des 17. Jahrhunderts ist auch sie in der Werkstatt entstanden. Viele Skizzen Avercamps belegen sein Bemühen, die Bewegungen und Verhaltensweisen der Menschen bei den verschiedenen jahreszeittypischen Tätigkeiten, aber auch die Landschaft in ihrer winterlichen Erscheinung möglichst „typisch“ wiederzugeben. Er vereint dazu in diesem Bild eine große Anzahl verschiedener Motive, die sich sicherlich nicht gemeinsam so seinem Auge dargeboten hatten, die aber in ihrer Gesamtheit ein überzeugendes Bild des bunten Treibens auf dem Eis und an seinen Ufern an einem kalten, wolkenverhangenen Wintertag darbieten.

A. Ebert