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Weihnachten im Felde

Bild der 52. Woche - 29. Dezember bis 4. Januar 2015

Heinz Kroh, Entwurfszeichnung für das Motiv „Weihnachten im Felde“ aus einem Skizzenbuch Belgien, 1914, Kohle auf Papier, Kölnisches Stadtmuseum, Leihgabe Hella Kroh

Postkarte „Weihnachten im Felde“, Köln, 1914–1917, Entwurf 1914: Heinz Kroh, Druck: M. DuMont Schauberg, Postkarte, Farblithographie; 14 x 8,8 cm, Kölnisches Stadtmuseum

Eine verschneite Ebene, vereinzelte Tannen im Hintergrund, umfangen von feinem Schneegestöber – doch es ist keine idyllische Winterlandschaft, die auf dieser Postkarte vor uns ausgebreitet wird, sondern ein eher unbehagliches Szenario: Ein deutscher Soldat, gekleidet in typisches Feldgrau mit Pickelhaube, patrouilliert mit seinem Gewehr im Anschlag. Einsam hält er Wache, sein Blick geht in die Ferne. So verbringt er fernab der Heimat ein „Weihnachten im Felde“, wie dem Schriftzug auf der Karte zu entnehmen ist. Die drei Weihnachtswichtel, die sich ihm von hinten mit Geschenken und einem Weihnachtsbaum nähern, hat er noch nicht wahrgenommen.

Es ist eine stille Nacht in den ganz unheiligen Zeiten des Ersten Weltkrieges: Diese „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts stürzte von 1914 bis 1918 ganz Europa in den Abgrund und endete mit einer Niederlage des deutschen Kaiserreiches und seiner Verbündeten. Millionen von Soldaten mussten dafür auf den Schlachtfeldern ihr Leben lassen.

Dabei hatte man zu Beginn des Krieges im August 1914 noch gehofft, an Weihnachten wieder daheim zu sein. Doch schon im Herbst 1914 zeichnete sich an der Westfront ein langwieriger Stellungskampf ab. Die Hoffnungen auf einen raschen Frieden und damit auf ein Weihnachtsfest im Kreise der Familie schwanden.

Während die Angehörigen zuhause unter dem Weihnachtsbaum um ihre Söhne, Väter und Ehemänner bangten und Kerzen für die Gefallenen anzündeten, verbrachten die Soldaten die Weihnachtstage im Schützengraben oder verwundet im Lazarett. Der Kontakt wurde über die Feldpost gehalten. Zur moralischen Erbauung schickte man sich Postkarten mit sentimental verklärten, oft auch patriotischen Motiven mit direktem Kriegsbezug.

Die Postkarte „Weihnachten im Felde“ wurde zugunsten der 1914 gegründeten „Vereinigten Vereine vom Roten Kreuz der Stadt Cöln“ herausgegeben. Darauf verweist auch die Kopfbedeckung der Weihnachtswichtel. Die Vereine kümmerten sich unter anderem um den Transport von Verwundeten und Kriegsgefangenen, um Vermisstennachweise und die Versorgung durchreisender Truppen. Schließlich spielte Köln als Metropole im Westen, als Festungsstadt und Verkehrsknotenpunkt eine entscheidende Rolle an der deutschen „Heimatfront“.

Das Kölner Rote Kreuz organisierte darüber hinaus die Sammelstellen für so genannte „Liebesgaben“: Wolldecken, Zigaretten, Kaffee, Likör, Briefpapier, Kaiserbilder und Musikinstrumente wurden durch städtische Mittel und Spenden aus der Bürgerschaft zusammengetragen und den „Kölsche Junge“ an die Front geschickt. Darauf spielt auch die Postkarte an: Es sind die Weihnachtswichtel des Roten Kreuzes, die hier in Anlehnung an die Kölner Heinzelmännchen die Päckchen mit dem Wappen der Stadt Köln zu dem einsamen Soldaten bringen. Im Besitz des Kölnischen Stadtmuseums befindet sich ein Plakat gleichen Motivs, auf dem die Vereine im Dezember 1916 zu einer entsprechenden Spendenaktion aufriefen.

Das Motiv „Weihnachten im Felde“ basiert auf einem Entwurf des Kölner Künstlers Heinz Kroh (1881, Köln-Deutz–1972, Dortmund), dessen Signatur sich am rechten Rand unterhalb des äußeren Wichtels befindet. Heinz Kroh hatte unter anderem an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert.

1914 meldete sich Heinz Kroh als Freiwilliger zum Kriegsdienst und wurde Sanitäter des Roten Kreuzes (s. BdW 28/2012). An der Front hielt er seine Erlebnisse in Skizzenbüchern fest. Darin schilderte er den Abtransport von Gefallenen ebenso wie die Erschöpfung und Resignation seiner Kameraden, bis er 1916 selbst einen Nervenzusammenbruch erlitt. Er schied aus dem Kriegsdienst aus und war nach einem Ruheaufenthalt in Rheine wieder als Künstler in Köln tätig.

Aus einem Skizzenbuch von 1914 stammt auch die Entwurfszeichnung zu „Weihnachten im Felde“ (siehe zusätzliches Bild). Allerdings wirkt das Motiv auf der Postkarte deutlich martialischer. Das Gewehr ist hier klar erkennbar, der Kontrast zwischen dem aufrecht patrouillierenden Soldaten und den munter herbeieilenden kleinen Wichteln wird durch das Hochformat nochmals verstärkt: standhaft und gestärkt durch den sprichwörtlichen Rückhalt von der Heimatfront blickt der Soldat dem Feind in dieser einsamen Weihnachtsnacht entgegen.

J. Kirchhoff