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Trikolore

Bild der 49. Woche - 8. Dezember bis 14. Dezember 2014

Blick in die aktuelle Hängung der Miniaturensammlung des Wallraf-Richartz-Museums, Foto: Heribert Bachem

Jeröme Langlois, Herr in blauem Rock, 1793
Elfenbein, Durchmesser: 6,1 cm, originaler vergoldeter Metallrahmen
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, lnv.-Nr. WRM 3807
Foto: Max Hauser

Wir schreiben das Jahr 1839. Es ist ein Tag im August, als Louis Jacques Mande Daguerre (1787-1851) in Paris in der Akademie der Wissenschaften sein Patent der Daguerreotypie vorstellt- Geburtsstunde der Fotografie vor 175 Jahren (s. BdW 42/1998 und 30/2000).

Fast vier Billionen Fotos wurden seit jenem denkwürdigen Datum aufgenommen, und mit den Tablets und Smartphones trägt heute ein jeder stets eine Kamera mit sich; Untersuchungen belegen, dass inzwischen innerhalb von zwei Minuten genauso viel fotografiert wird wie im gesamten 19. Jahrhundert. Wir leben in einer wahren Bilderflut; allein die Facebook-Maschinerie „produziert“ täglich rund 350 Millionen Bilder, und das Selfie feiert Hochkonjunktur: heutige Form der- visuellen Kommunikation.

Unsere Nachfahren werden sich mithin einer Fülle an (Erinnerungs-) Fotos erfreuen können, doch selbstredend hatten auch vormalige Generationen das Bedürfnis, sich dauerhaft des Anblicks eines geschätzten Menschen zu vergewissern. Bis die Fotografie diese Aufgabe übernahm, waren es -neben großformatigen Porträts in Öl- insbesondere Bildnisminiaturen, die der Erinnerung an geliebte Menschen dienten, die in der Ferne weilten, oder auch dem Gedenken an ein früh verstorbenes Familienmitglied.

In Europa erlangten Miniaturen - in erster Linie Porträts en miniature - seit dem 16. Jahrhundert Bedeutung; ihre Blütezeit erlebte die Miniaturmalerei im späten 18. und frühen 1g.Jahrhundert, ehe diese Kunstgattung um die Mitte jenes Jahrhunderts ausklang.

Die kleinen Bildchen hatten ihren würdigen Platz im privaten Ambiente - etwa auf dem Schreibtisch oder in Vitrinen, an den Wänden der Wohnzimmer oder den Paravents der Boudoirs. Sie zierten zudem Gerätschaften des täglichen Gebrauchs (Briefbeschwerer, Pfeifen köpfe) und Geschirr (Kannen, Schalen und insbesondere Tassen), ebenso wie Mobiliar (Ziertische, Schmuckschränke, Sekretäre, Türen, Spiegel, Nähtische).

Anders als großformatige Tafelbilder konnte man sie als Anhänger mit sich tragen, in Händen halten, liebkosen und mit privater Vertrautheit betrachten. Daneben konnten Miniaturen aber auch repräsentativen Zwecken dienen: als höfische Ehrengeschenke, Abzeichen ehrenhalber (z. B. Hutmedaillen) oder auch als- bildliches-Symbol für die Besiegelung von Verträgen. Ehrwürdige Herren sieht man auf solchen Porträtminiaturen, liebreizende Kinder und viele weibliche Schönheiten. Glückliche und unglückliche Menschen, stolz oder schüchtern dreinblickend, vom Leben bevorzugt oder vielleicht auch benachteiligt- ein Spiegelbild des Menschseins eben. Vielfach meint man, ins tiefste Innere der Dargestellten blicken zu können- deren Namen wiederum über die Jahrhunderte hinweg in vielen Fällen verloren gegangen sind.

Das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud konnte 2014 durch eine Schenkung über 170 solcher Miniaturbildnisse erwerben. An dieser Stelle nun sollen einige besondere Objekte dieser Sammlung vorgestellt werden.

Trikolore

Der Miniatur- und Porträtmaler dieses Bildnisses, Jérôme Langlois, lebte und arbeitete zeitlebens in seiner Heimatstadt Paris, wo er zunächst Malerei an der Kunstschule der königlichen Akademie studierte; zwischen 1793 und 1804 stellte er mehrfach im Salon aus.

Wir sehen hier von seiner Hand das Brustbild eines uns nicht namentlich bekannten Mannes mittleren Alters. Das weiße Rüschentuch ist voluminös und scheint ein Gegengewicht zu dem großen Kopf des Dargestellten zu bilden. In der Tat haben wir hier keineswegs ein idealisiertes Bildnis vor uns; die wässrig blauen Augen klein unter schweren Lidern, schmale Lippen unter einer markanten Nase, breite, volle Wangen, die uns verraten, dass der Herr von seinem Idealgewicht weit entfernt zu sein scheint. Besonders auffällig allerdings wirkt im Bild der Dreiklang aus den Farben Blau- Weiß- Rot. Ist es Zufall, dass es sich hierbei um die Farben der französischen Trikolore handelt, die auch nach dem Ende der Monarchie 1792 Symbol der Revolution blieb?

B. Schaefer