Wir überarbeiten zur Zeit unser Online-Angebot. Daher pausiert das "Bild der Woche" aktuell.
Vielen Dank für Ihr Verständnis

Römisches Bernsteinschiffchen

Bild der 4. Woche - 24. bis 30. Januar 2011

Römisches Bernsteinschiffchen, Bernsteinschnitzerei, 3. Jahrhundert n. Chr., 7,5 x 12 cm, Römisch-Germanisches Museum Köln
Rückseite des Bersteinschiffchens

Im 3. Jahrhundert n. Chr. schuf ein Kölner Bernsteinschnitzer aus einem ungewöhnlich großen Brocken Rohbernstein eine meisterhafte kleine Skulptur in Form einer Muschelschale. Die Innenseite der Muschel schmückt das Relief eines Schiffes mit abgerundetem Kiel, geschwungenem Bugsporn und hohem Heck mit Kajüte. Sechs Ruderblätter gliedern die hohe, teilweise mit Reling versehene Bordwand. In der Mitte des Decks sitzen unter dem nach innen schwingenden Muschelschloss drei musizierende Eroten – nackte, geflügelte Kinder, die nach Eros, dem kindlichen Sohn der Liebesgöttin Aphrodite benannt sind. Der Erot in der Mitte der Gruppe hält ein bauchiges Gefäß vor der Brust. Mit der erhobenen Hand schlägt er wohl den Takt zu der Musik seiner beiden Begleiter: Der Eine spielt die Doppelflöte, der Andere die Leier. In der römischen Antike liebten die Menschen Darstellungen solcher idyllischen Szenen aus Alltag und Mythologie, die mit Eroten statt mit Menschen bevölkert waren. Sie beschreiben das Fest des Lebens. Gefäße, Möbel, Wandmalereien und Bodenmosaike, aber auch Sarkophage zeigen die kleinen geflügelten Gesellen bei der Weinlese und Weinkelter, beim Fischfang und bei der Jagd oder bei Spielen und Wagenrennen. Auch die Rückseite der Bernsteinmuschel ist reich dekoriert, so dass die Skulptur auf Rundumsicht angelegt ist. Das Relief zeigt hier – passend zu dem Schiff auf der Vorderseite - das belebte Meer. Unter Kammmuscheln tummeln sich ein dicker Fisch und ein fabelhaftes Meerwesen: ein Seepferd. Gefunden wurde die Bernsteinschnitzerei zwischen 1902 und 1903 in einem Grab des römischen Friedhofs an der Luxemburger Straße in Köln. Dem Toten gaben die Angehörigen das Bernsteinschiff mit ins Grab – als Ausdruck der Hoffnung auf ein glückliches Fortleben im Jenseits. Vermutlich hatte die luxuriöse Bernsteinschnitzerei einst zu den Lieblingsstücken des Verstorbenen gehört und war ihm vielleicht als Glücksbringer geschenkt worden. Darauf deutet eine heute nur noch unvollständig erhaltene Inschrift hin, die wohl einen Glückwunsch beinhaltete, etwa wie „Lebe glücklich“. Ähnliche Widmungen sind auch von anderen Grabgeschenken bekannt wie z.B. auf dem berühmten Kölner Diatretglas (s. BdW 42/2000) oder auf Schmuckstücken. Römische Bernsteinarbeiten wurden in Köln wesentlich häufiger gefunden als in allen anderen Städten des römischen Rheinlandes. Wahrscheinlich war hier eine Bernstein-Werkstatt ansässig, die den aus dem Nord- und Ostseeraum nach Köln verhandelten Bernstein zu anspruchsvollem Kunsthandwerk verarbeitete.

M. Euskirchen