"Erschossen wie Robert Blum"

Bild der 45. Woche - 10. bis 16. November 2008

Pfeifenkopf "R. Blum" (aus einer Gesteckpfeife) Porzellan, H: 13 cm Deutschland, um 1850 Köln, Kölnisches Stadtmuseum, o. Inv.-Nr.

„Erschossen wie Robert Blum” ist zu einem geflügelten Wort geworden und gemeinhin ist nur wenig mehr bekannt, wenn von dem in Köln geborenen Wortführer der Linken in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 die Rede ist. Seine letzten Worte sind überliefert: »Ich sterbe für die deutsche Freiheit, für die ich gekämpft. Möge das Vaterland meiner eingedenk sein.« So starb vor 160 Jahren am 9. November 1848, jenem schicksalsträchtigen Datum deutscher Geschichte, im Wiener Vorort Brigittenau der populärste Politiker seiner Zeit, Robert Blum, im Morgengrauen durch die Kugeln eines österreichischen Hinrichtungskommandos. Das Vaterland hat ihm das Opfer nicht gedankt. Zwar blühte nach der entsetzlichen Mordtat für kurze Zeit ein regelrechter Kult um Blum. Zahlreiche Devotionalien aller Art, wie dieser Pfeifenkopf, zeugen davon. Er wurde als Märtyrer verehrt, ja zum Heiligen verklärt. Doch bald geriet Robert Blum, einer der wenigen herausragenden deutschen Demokraten, in Vergessenheit. Blum wurde am 10. November 1807 in Köln als Sohn eines Fassbinders am Fischmarkt geboren. Sein Vater starb früh, der Stiefvater verdiente als Schiffergeselle kaum den Lebensunterhalt für die große Familie. Blum wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und erwarb seine erstaunliche Bildung als Autodidakt. Als Gelbgießergeselle hatte er Deutschland bereist, bevor er in seiner Heimatstadt als Theaterdiener arbeitete. Zu Beginn der dreißiger Jahre bekam er eine auskömmliche Stelle als Sekretär am Leipziger Stadttheater. Hier konnte er seiner Leidenschaft, dem Schreiben, nachgehen, schließlich, seit er in der Politik seinen eigentlichen Beruf gefunden hatte, auch als kritischer Journalist, der mit seiner glänzenden Feder das System der Metternich’schen Restauration unaufhörlich attackierte. Als Stadtverordneter hatte er sich allmählich den Respekt der Honoratioren erworben. Zugleich verstand er es, durch seine volkstümliche Rhetorik die Menge in seinen Bann zu schlagen. Er trat als flammender, mutiger Redner bei den von ihm begründeten Schillerfeiern auf, organisierte die nationalfreiheitliche Bewegung in Sachsen, machte Leipzig zum Zentrum des Deutschkatholizismus. Blum wirkte als einer der Vizepräsidenten des Vorparlamentes und zog 1848 als Abgeordneter in die großdeutsche Nationalversammlung zu Frankfurt am Main ein. Ein geeintes Deutschland, aber in Freiheit - für ihn war ein deutscher Nationalstaat nur als Republik denkbar und die geeinte Republik wiederum war die Voraussetzung für sein eigentliches Ziel - die Freiheit des Menschen. Bei alldem blieb Blum sensibel für die sich verschärfenden sozialen Probleme im Vormärz. Er vergaß nie, woher er gekommen war. Es gehört zur tragischen Ironie der Geschichte, dass Blum, der Gewalt immer entschieden abgelehnt hatte, am Ende doch noch auf den Barrikaden kämpfte, als Kommandeur einer Einheit, die Ende Oktober 1848 die Sophienbrücke in Wien gegen die Truppen des Generals von Windischgrätz verteidigte. Er hatte den in offenem Kampf gegen die Regierung stehenden Demokraten eine Sympathieadresse der Frankfurter Nationalversammlung überbracht. In der österreichischen Hauptstadt entschied sich die Zukunft der deutschen Freiheit und da wollte er nicht abseits stehen. Blums Hinrichtung war kein unglücklicher Zufall, sondern eine bewusst getroffene Entscheidung. Damit sollte demonstriert werden, wo die wirkliche Macht in Deutschland lag: nicht bei den Abgeordneten der Paulskirche, sondern bei den Herren des Ancien Régime und den Militärs der Gegenrevolution. Mit der Erschießung Blums am 9. November 1848 starben alle demokratischen Hoffnungen, sie sollten erst 70 Jahre später, am 9. November 1918 wieder geboren werden Aus dem Abschiedsbriefs Robert Blums an seine Frau Jenny: Wien, 9. November 1848 Mein teures, gutes, liebes Weib, lebe wohl, wohl für die Zeit, die man ewig nennt, die es aber nicht sein wird. Erziehe unsere - jetzt Deine Kinder zu edlen Menschen, dann werden sie ihrem Vater nimmer Schande machen. Unser kleines Vermögen verkaufe mit Hilfe unserer Freunde. Gott und gute Menschen werden Euch ja helfen. Alles, was ich empfinde, rinnt in Tränen dahin, daher nochmals: leb wohl, teures Weib! Betrachte unsre Kinder als teures Vermächtnis, mit dem Du wuchern mußt, und ehre so Deinen treuen Gatten. Leb wohl, leb wohl! Tausend, tausend, die letzten Küsse von Deinem Robert. Morgens 5 Uhr, um 6 Uhr habe ich vollendet. Die Ringe habe ich vergessen, ich drücke Dir den letzten Kuß auf den Trauring. Mein Siegelring ist für Hans, die Uhr für Richard, der Diamantknopf für Ida, die Kette für Alfred als Andenken. Alle sonstigen Andenken verteile Du nach Deinem Ermessen. Man kommt! Leb wohl, wohl! Ferdinand Freiligrath, Gedicht auf Robert Blum, Köln, 16. November 1848 Vor zwei und vierzig Jahren war's, da hat mit Macht geschrieen Ein siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knieen! Ein Kind mit breiter, offner Stirn, ein Kind von heller Lunge, Ein prächtig Proletarierkind, ein derber Küferjunge. Er schrie, daß in der Werkstatt rings des Vaters Tonnen hallten; Die Mutter hat mit Lächeln ihn an ihre Brust gehalten; An ihrer Brust, auf ihrem Arm hat sie ihn eingesungen: – Es ist zu Köln das Wiegenlied des Knaben hell erklungen. Und heut in diesem selben Köln zum Wehn des Winterwindes Und zu der Orgel Brausen schallt das Grablied dieses Kindes. Nicht singt die Ueberlebende, die Mutter, es dem Sohne: Das ganze Schmerzbewegte Köln singt es mit festem Tone. Es spricht: Du, deren Schoos ihn trug, bleib still auf deiner Kammer! Vor deinem Gott, du graues Haupt, ausströme deinen Jammer! Auch ich bin seine Mutter, Weib! Ich und noch eine Hohe – Ich und die Revolution, die grimme, lichterlohe! Bleib du daheim mit deinem Schmerz! Wir wahren seine Ehre – Des Robert Requiem singt Köln, das revolutionäre! So redet Köln! Und Orgelsturm entquillt dem Kirchenchore, Es stehn die Säulen des Altars umhüllt mit Trauerflore, Die Kerzen werfen matten Schein, die Weihrauchwolken ziehen, Und tausend Augen werden naß bei Neukomms Melodien. So ehrt die treue Vaterstadt des Tonnenbinders Knaben – Ihn, den die Schergen der Gewalt zu Wien gemordet haben! Ihn, der sich seinen Lebensweg, den steilen und den rauhen, Auf bis zu Frankfurts Parlament mit starker Hand gehauen! (Dort auch, was er allstündlich war, ein Wackrer, kein Verräter!) – Was greift ihr zu den Schwertern nicht, ihr Singer und ihr Beter? Was werdet ihr Posaunen nicht, ihr eh’rnen Orgeltuben, Den jüngsten Tag ins Ohr zu schrein den Henkern und den Buben? Den Henkern, die ihn hingestreckt auf der Brigittenaue – Auf festen Knien lag er da im ersten Morgentaue! Dann sank er hin – hin in sein Blut – lautlos! – heut vor acht Tagen! Zwei Kugeln haben ihm die Brust, eine das Haupt zerschlagen! Ja, ruhig hat man ihn gemacht: – er liegt in seiner Truhe! So schall' ihm denn ein Requiem, ein Lied der ew'gen Ruhe! Ruh' ihm, der uns die Unruh' hat als Erbteil hinterlassen: – Mir, als heut im Tempel stand in den bewegten Massen, Mir war's, als hört' ich durch den Sturm der Töne ein Geraune: Du, rechte mit der Stunde nicht! Die Orgel wird Posaune! Es werden, die du singen siehst, das Schwert in Händen tragen – Denn nichts als Kampf und wieder Kampf entringt sich diesen Tagen! Ein Requiem ist Rache nicht, ein Requiem nicht Sühne – Bald aber steht die Rächerin auf schwarzbehangner Bühne! Die dunkelrote Rächerin! Mit Blut bespritzt und Zähren, Wird sie und soll und muß sie sich in Permanenz erklären! Dann wird ein ander Requiem den toten Opfern klingen – Du rufst sie nicht, die Rächerin, doch wird die Zeit sie bringen! Der andern Greuel rufen sie! So wird es sich vollenden – Weh’ allen, denen schuldlos Blut klebt an den Henkerhänden! Vor zwei und vierzig Jahren war's, da hat mit Macht geschrieen Ein siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knieen! Acht Tage sind's, da lag zu Wien in blut'ger Mann im Sande – Heute scholl ihm Neukomms Requiem zu Köln am Rheinesstrande. Köln, 16. November 1848, Ferdinand Freiligrath

R. Wagner