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Ein gläsernes Meisterwerk

Bild der 28. Woche - 15. bis 21. Juli 2013

Diatretbecher aus Köln-Braunsfeld, 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts, Glas, gegossen und geschliffen, 12,1 cm hoch, Römischer-Germanisches Museum, Köln, Inv.-Nr. 60.1

Immer wieder beeinflussen revolutionäre Erfindungen die Geschichte der Menschheit. In der Alten Welt war eine solche entscheidende Situation die Entdeckung, dass Glasprodukte mit Hilfe der Glaspfeife hergestellt werden konnten. Die Herstellungszeit von Gebrauchsgläsern verkürzte sich durch diese neue Methode derart einschneidend, dass sich die Stückzahlen in vorher unvorstellbarer Weise vervielfachen ließen. Der Luxusgegenstand Glas wurde so im 1. Jahrhundert nach Christus zu einem Gebrauchsgegenstand, der im ganzen Römischen Reich Verbreitung fand. Wie hatte man jedoch bis zu diesem Zeitpunkt Glas hergestellt? Zu den althergebrachten Verfahren gehörten die Sandkerntechnik und das Gießen, sowie zur weiteren Ausarbeitung das Schneiden und Schleifen, wobei die erkaltete, erstarrte Glasmasse bearbeitet wurde, allesamt technisch ausgereifte Methoden, jedoch zeitraubend und arbeitsaufwendig. Trotz des Siegeslaufes der Glasbläserkunst verschwanden die alten Techniken jedoch nicht. Vielmehr ließ die Menge der nun verfügbaren Glasprodukte die aufwendig hergestellten Gläser rar und kostbar werden und damit begehrenswert für Adel und Patrizier. Die Technik, erstarrte Glaskörper durch Schneiden und Schleifen zu bearbeiten, ist etwa seit dem 14. Jahrhundert v. Chr. für Ägypten belegt. In Mesopotamien wird es wohl nicht vor dem ersten Jahrtausend v. Chr. angewandt worden sein. In römischer Zeit schließlich war das Bearbeiten des Glases durch Schleifen und Schneiden in den Zentren der Glasschleifer wie z. B. in den Städten der syrischen Küste, in Alexandrien, in Italien und in Köln weit entwickelt. Es gehörte zum Aufgabengebiet einer eigenen Berufsgruppe, den sogenannten diatretarii. Im Laufe der Jahrhunderte brachten es dieser Berufszweig auf einen Stand der Technik, dessen handwerklicher und künstlerischer Höhepunkt etwa im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. anzusiedeln ist. Im Jahre 1960 fand man in Köln-Braunsfeld neben einem der Sarkophage eines römischen Familienfriedhofes ein Werk dieser Zeit glasschleiferischen Höhepunkts, den hier vorgestellten sogenannten Diatretbecher von Köln-Braunsfeld, heute im Römisch-Germanischen Museum, Köln: ein farbloser klarer Becher mit einem Korb aus dunkelpurpur-rotem, goldgelben und smaragdgrünen Glas sowie farblosen Stegen zwischen Korb und Körper. Er wurde in einer Form gegossen und dann ausgeschliffen. Der Becher ist fußlos und besitzt ein dreigeteiltes Netzwerk: a) den Schriftzug, der in griechischer Sprache sagt: 'Trinke, lebe schön, immerdar' (s. kleines Bild), b) ein trennendes Zierglied und c) ein regelmäßiges Netz aus untereinander verbundenen Ringen. Anhand der Schnittzeichnung (linkes Bild) ist deutlich zu erkennen, dass die filigrane Wand des Glases durch diese Art der Konstruktion fast vollständig doppelschalig angelegt ist. Besonders in der Spätantike galten diese seit dem 1. Jahrhundert nach Christus hergestellten Diatretgläser nicht nur als höchste Vollendung handwerklichen Könnens, sondern auch als teuerste und kostbarste Glasgattung überhaupt, nicht zuletzt wegen des hohen Risikos, bei der Arbeit den Rohling so zu beschädigen, dass er unbrauchbar wurde. Aus diesem Grund ist es auch nicht verwunderlich, wenn der Diatretbecher von Köln-Braunsfeld als Relikt aus der Zeit des römischen Kölns zu den Stars des Römisch-Germanischen Museums in Köln zählt. Dieses Objekt in www.kulturelles-erbe-koeln.de

T. Nagel