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Bild der 26. Woche - 26. Juni bis 2. Juli 2023
Im Jahr 1930 antwortete eine junge und talentierte Zeichnerin namens Sylvia Stave auf eine Zeitungsannonce der renommierten Gold- und Silberschmiede Hallberg, die auf der Suche nach neuen Talenten war. Damals erst 22 Jahre alt, wurde sie eingestellt und stieg schnell zur Leiterin der Designabteilung auf. Ihre Arbeiten, hauptsächlich in Silber, Zinn und Alpaka ausgeführt, erregten bald internationale Aufmerksamkeit.
Sylvia Stave nahm an bedeutenden Ausstellungen teil, darunter die Stockholm-Ausstellung von 1930, die eine Schlüsselveranstaltung für den Funktionalismus wurde, sowie die Weltausstellung in Paris im Jahr 1937. Doch 1940 änderte sich Staves Leben drastisch, als sie nach ihrer Heirat mit René Agid dauerhaft nach Paris zog und ihre künstlerische Laufbahn aufgab.
Der Cocktailshaker als herausragendes Beispiel
Eines der herausragenden Werke, das exemplarisch für Staves Talent und ihren einzigartigen Stil steht, ist ein Cocktailshaker, den wir genauer betrachten möchten. Der Shaker ist durch einen flachen Standring geformt und weist eine bauchige Wandung auf, die mit einem hoch angesetzten zylindrischen Ausguss abschließt. Ein bogenförmiger Henkel umgibt den Shaker, der mit naturfarbenem und grün eingefärbtem spanischen Rohr umflochten ist. Der flache Einsatzdeckel des Ein- und Ausgusses wird von einem schmalen, rechteckigen Knauf bekrönt. Stave arbeitete bewusst mit geometrischen Grundformen und verzichtete auf zusätzliches Dekor. Der Cocktailshaker entstand allein aus dem Produktionsprozess heraus und verkörpert somit die Essenz des Funktionalismus.
Neue Materialien
Ähnlich wie in der Architektur, wo neue Techniken und Materialien wie Stahlbeton einen radikalen Wandel ermöglichten, vollzog sich in den 1920er Jahren auch in der Metallarbeit eine Revolution. Bereits im 19. Jahrhundert wurde die Technik des Drückens zur Vereinfachung bei seriellen Objekten angewendet, doch erst in den 1920er Jahren erreichte sie eine technische Ausgereiftheit, die innovative Gestaltungsmöglichkeiten bot. Die einfache und sachliche Ästhetik, die durch die maschinelle Herstellung ermöglicht wurde, entwickelte sich allmählich zum eigenständigen Stil des Funktionalismus.
Der von Sylvia Stave verwendete Drückprozess ermöglichte die Produktion des Cocktailshakers in großer Stückzahl. Dabei wurde die zu drückende Metallplatte vor die Drückform eingespannt und mit verschiedenen Metallstäben gegen eine rotierende Form gedrückt. Dieser rationalisierte Produktionsvorgang führte zu einer glatten Oberfläche mit feinen Rillen, die nach dem Schmirgeln und Polieren verschwanden. Im Gegensatz zu den traditionellen Techniken, bei denen die Oberfläche durch Hammerspuren (Martelé) in viele Facetten aufgeteilt wurde, erscheinen die stereometrischen Formen des Funktionalismus durch das Drücken noch sachlicher und klarer.
Die skandinavische Grundlage für den Funktionalismus
Erst mit einer wachsenden Akzeptanz von industriellen Serienprodukten bei den Kunden wurde in Skandinavien seit Mitte der 1920er Jahre die Grundlage für den Funktionalismus geschaffen. Sylvia Staves reduzierte Formensprache, die auf geometrischen Grundformen basiert, kann mit den Entwürfen von Marianne Brandt verglichen werden. Brandt war von 1924 bis 1929 am Bauhaus in Dessau tätig und entwickelte ebenfalls eine klare und sachliche Ästhetik. Arbeiten von Wolfgang Tümpel und Hans Pryzembel, die in der Metallwerkstatt des Bauhauses mitwirkten, spiegeln ebenfalls die neue Formsprache des Funktionalismus wider.
M. Damm