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Bild der 48. Woche - 25. November bis 2. Dezember 2002
Die Besprechung des Weltgerichtes von Stefan Lochner, die wir als kleine Serie im letzten BdW begonnen haben, paßt genau ins christliche Kirchenjahr: Die letzte Woche des Kirchenkalenders hat begonnen, mit dem ersten Advent steht das neue Kirchenjahr unmittelbar bevor. Die liturgischen Texte erinnern an die Endzeit der Welt und mahnen zur Wachsamkeit ("Wachet auf, ruft uns die Stimme"). Genau dies ist auch die Absicht dieses Gemäldes von ca. 1435. Unter dem, mit den großen Figuren vergegenwärtigten Gesamtthema (s. hierzu das letzte BdW) entwickelte Stefan Lochner sowohl durch die Bildkomposition als auch durch eine Fülle von erzählerischen Einzelszenen eine umfassende Weltgerichtspädagogik. Zunächst verdeutlichen die Bewegungsrichtungen im Bild (s. o.) die grundlegende Haltung, die der Betrachter einnehmen soll: Ein Strom von Verdammten zieht aus der Mitte des Bildes kommend nach rechts zur Hölle und damit dem Betrachter entgegen, stößt ihn somit zurück. Die Schar der Geretteten hingegen zieht in das Bild hinein und erzeugt dadurch einen "Sog", welcher den Betrachter mitziehen soll. Auch die Inkarnatsfarben und der unterschiedlich bewachsene Boden verdeutlichen, wo der Schwerpunkt liegt. Während die Körper der Geretteten hell leuchten und kunstvoll geflochtene Haare besitzen, sind die Gesichter der Verdammten angstverzerrt und ihr Inkarnat grün-bleich. Der Boden in der Umgebung der Hölle ist ausgetrocknet und verdorrt, während der Boden in Richtung Himmel immer stärker zu einer blühenden Wiese wird. Der brennenden romanischen Architektur rechts setzt Lochner die strahlende Himmelsarchitektur der Gotik entgegen. Dem himmlischen Gesang der Engel auf den Zinnen links kontrastiert der höllische Krach der Teufel auf den Mauern der Höllenburg. In einer Vielzahl kleiner Szene verdeutlicht Lochner die Gründe, die in die Hölle führen: Im Bildvordergrund sehen wir den reichen Prasser, weiter links den Trinker und den Spieler. Rechts unterhalb der Maria erkennt man das Thema Unzucht in der Darstellung eines Paares, das von einem Teufel an den Haaren aus dem Grab gezogen wird. In der Bildmitte, unter dem Weltenrichter, wird eine große, von mehreren Teufeln mit einer Kette umfaßte Gruppe zur Hölle gezogen. An den Kopfbedeckungen erkennbar handelt es sich um Römer, Juden und Moslems. Mit Hilfe der Kopfbedeckungen macht der Maler auch deutlich, welche Stände man in der Hölle findet: Papst, Kardinal, Bischof, König, Edelfrau usw. Bei dem dargestellten Papst dachten die Zeitgenossen sicher an die Gegenpäpste des sogenannten Abendländischen Schismas, welches erst wenige Jahre vor der Entstehung unseres Bildes durch das Konzil von Basel (1430) beendet worden war. Der Blick durch die offene Himmelstür zeigt aber, daß auch dort Päpste, Kardinäle, Bischöfe und Könige zu finden sind.
T. Nagel