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Laon - Bilder einer Kathedrale

Bild der 39. Woche - 29. September bis 5. Oktober 2014

Robert Delaunay, Türme von Laon, 1912, Öl auf Leinwand, 55,5 x 46 cm, Hamburg, Hamburger Kunsthalle, Inv. 5008, Foto: Heribert Bachem

Max Ernst, Laon, 1916, Öl auf Leinwand, 65,6 x 100,5 cm, Museum Ludwig, Köln, ML 76/2774

Das Bild „Laon“ von Max Ernst (1891-1976) zeigt eine Komposition aus Architektur-Elementen der frühgotischen Kathedrale von Laon in Nordfrankreich, die auf einem Hügel über der Ebene thront. Ernst greift einzelne charakteristische Einzelheiten der Nordostansicht heraus: drei Türme, den Vierungsturm, eine Apsiskapelle, einen Bogenfries, die Fensterrose, dazu kommen Dachflächen der umgebenden Gebäude. Die Flanken des Hügels sind von Bäumen gesäumt. Diese Elemente vereinen auf kubistische Weise verschiedene Ansichten miteinander. Der Himmel über dem linken Turm ist in flammenden Gelb- und Rottönen gehalten, während die rechte Seite des Bildes in ein fahles Blau-Grau übergeht mit Blitzen im Himmel über dem rechten Turm. Am unteren Bildrand ist wie auf einer Postkarte die Aufschrift Laon in Druckbuchstaben aufgemalt.

Max Ernst malte dieses Bild während seiner Militärzeit im Ersten Weltkrieg. Er war als Artillerist in Nord-Frankreich östlich von Reims stationiert und erlitt dort zwei Kopf-Verletzungen. Ende 1915 hatte er das Glück, für ein halbes Jahr zum Stab in der Nähe von Laon versetzt zu werden. Neben seiner Aufgabe, Geschützstellungen in die Karten einzuzeichnen, fand er dort genügend Zeit, zu malen. So entstand Anfang 1916 auch das Bild „Laon“. Seine Erlebnisse in den zerstörerischen Kämpfen mögen hier einen Ausdruck finden: die zerrissene Stadtlandschaft und den Gegensatz der grellen Farben links zu den bleichen Farben rechts. Der schwarze Turm links vor dem lodernden gelb-braunen Himmel könnte sogar eine Anspielung auf den Brand der Kathedrale von Reims sein, die Ende 1914 nach einem Beschuss durch die deutsche Armee in Flammen aufging.

Das zweite Bild „Die Türme von Laon“ von Robert Delaunay (1885-1941) entstand vier Jahre früher. Delaunay hatte 1908 seinen Militärdienst in Laon absolviert und kehrte Anfang 1912 mit der Familie dorthin zum malen zurück. Er fertigte vor Ort mehrere Ansichten der Stadt und der von ihm sehr geschätzten Kathedrale als Zeichnungen und Ölskizzen an. Die Bilder geben einen Eindruck von der friedlichen, winterlichen Stimmung.

1911 kam Delaunay in Kontakt zum Blauen Reiter und stellte in der Folge mehrfach erfolgreich in Deutschland aus, unter anderem auch 1913 im Gereonsklub in Köln, wo auch Laon-Bilder ausgestellt waren. Wenig später lernte Ernst Delaunay persönlich im Haus von August Macke in Bonn kennen, als dieser dort auf dem Rückweg von einer Ausstellungseröffnung in Berlin Station machte. Der Kontakt setzte sich im gleichen Jahr auf einer Parisreise fort. Die Auseinandersetzung mit den Bildern und Ideen von Delaunay lässt Ernst die kubistische Malweise eine Zeit lang in seine Formensprache aufnehmen, führt aber zu einem ganz eigenen Ausdruck.

Neben Übereinstimmungen zwischen den Bildern sind aber auch deutliche Unterschiede zu vermerken: Delaunay malt 1912 eine friedliche winterliche Landschaft, während Ernst 1916 die Wirkung, von seinen Erlebnissen beeinflusst, ins dramatische steigert. Zudem wird die räumliche Darstellung des Kathedralenhügels im Hochformat bei Delaunay von Ernst in ein breites, flächiges, zerrissenes Nebeneinander aufgelöst, das die „Postkartenaufschrift“ konterkariert.

H. Bachem