Wir überarbeiten zur Zeit unser Online-Angebot. Daher pausiert das "Bild der Woche" aktuell.
Vielen Dank für Ihr Verständnis
Bild der 22. Woche - 2. Juni bis 8. Juni 2014
Kopf eines Propheten aus dem Hansasall des Rathauses in Köln
Köln um 1360/1370
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Dep.0264
Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln
Kopf eines Propheten aus dem Hansasall des Rathauses in Köln
Köln um 1360/1370
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Dep.0265
Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln
Kopf eines Propheten aus dem Hansasall des Rathauses in Köln
Köln um 1360/1370
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Dep.0266
Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln
Kopf eines Propheten aus dem Hansasall des Rathauses in Köln
Köln um 1360/1370
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Dep.0267
Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln
Bei den Vorbereitungen zur Rathauserneuerung im Jahre 1859 entdeckte man im Langen Saal die Überreste eines großformatigen Wandgemäldes der mittelalterlichen Ausstattung. Bei der Umgestaltung des Saales um 1730 war dieses unter einer Tünche verschwunden. Die Reste wurden aus der Wand gebrochen, konserviert und in das Wallraf-Richartz-Museum überführt. Zu gerne wollte man herausfinden, was die mittelalterlichen Wandmalereien zum Thema hatten. Schließlich sind sie die einzig erhaltenen Fresken des 14. Jahrhunderts in Köln, die aus einem profanen und nicht aus einem kirchlichen Gebäude stammen. Das Gelände des Rathause wurde schon frühzeitig kommunal genutzt. Bereits die Römer hatten hier im jüdischen Viertel ihren Amtssitz.
Das Streben der Kölner Bürger nach Unabhängigkeit von ihrem Stadtherren, dem Erzbischof von Köln, fand seinen Höhepunkt in der siegreichen Schlacht bei Worringen 1288. Der Erzbischof mußte aus der Stadt fliehen und die Bürger übernahmen das Stadtregiment. Das Pestjahr 1349 hatte die Austreibung der Juden und einen Brand des Judenviertels zur Folge bei dem auch das romanische Bürgerhaus aus der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts beschädigt wurde. An gleicher Stelle wurde das Rathaus des 14. Jahrhunderts errichtet. Es hatte dieselben Ausmaße und bestand aus einem langgestreckten zweigeschossigen Bau. Der Lange Saal im zweiten Obergeschoß (Hansasaal), in dem sich unsere Fresken befunden haben, war 29 m lang und 7,25 m breit. Er diente als repräsentativer Mittelpunkt des Rathauskomplexes. Neben Gerichts- und Ratsversammlungen fanden hier vor dem Bau des “Groissen und koestlichen Dantzhuys”, des Gürzenichs 1441, auch die offiziellen Festlichkeiten der Stadt statt.
Die Wände des spitzbogig gewölbten Raumes waren durch Maßwerk gegliedert und unterschiedlich gestaltet. An der Südwand standen wahrscheinlich seit 1360 in einer reichen Architekturrahmung die neun lebensgroßen Figuren der guten Helden. Den Neun Helden als Vertretern der heidnischen, jüdischen und christlichen Geschichte, galt die Verehrung des Bürgertums als Repräsentanten des Rechtes. Die übrigen Wände wurden mit einem gemalten Figurenprogramm überzogen zu denen die hier gezeigten Framgente gehören.
Am 27. November 1370 erhielt ein anonymer Maler die erhebliche Summe von 220 Mark “pro pictura domus civicum”. Damit könnte der Abschluß der Malerarbeiten im Hansasaal dokumentiert sein. Unsere Fragmente gehörten zu der malerischen Ausstattung, die in die Maßwerkgliederung der Nordwand eingefügt war. Die acht Blendbögen der Nordwand waren ursprünglich mit je einer großen Gestalt ausgemalt, zu denen unsere vier Kopffragmente gehören. Ihre phantasievollen Kopfbedeckungen haben zu der Vermutung geführt, daß hier Propheten, sicher aber weise Männer dargestellt sind. In Ihren Händen halten sie Spruchbänder, die sich wie Bogenarchitekturen über ihren Köpfen wölben. Wohl nur die mittleren vier Figuren waren im unteren Bereich von einer gemalten Schranke verdeckt, auf der Karl IV. und drei Begleiter auftreten. Der Kaiser wendet sich diesen nicht zu, sondern er blickt nach außen, das heißt wahrscheinlich in Richtung auf die Eingangstür des Saales. Er trägt über einem Untergewand einen Hermelinmantel mit dem Embelm des böhmischen Löwen. Auf einem Schriftband, das sich in seiner rechten Hand entrollt, ist zu lesen: “Ir suelt des ryches noet besinnen, Wael up verlies ind up gewinnen.”, was soviel bedeutet wie “Ihr sollt Euch auf des Reiches Not(wendigkeit) besinnen, egal ob ihr dabei verliehrt oder gewinnt.”
Die durch die Betrachtung der Fragmente erlangten Informationen schienen jeodch für einen inhaltliche Interpretation der Raumgestaltung des Saales noch nicht ausreichend. Und so machten sich die Kunsthistoriker auf die Suche nach möglichst zeitnahen Quellen, in denen von der Ausstattung des Rathauses die Rede ist. In einer Quelle um 1600 ist der Text des Schriftbandes des Kaisers neben drei weiteren wiedergegeben. Sie werden hier vier Bischöfen zugeordnet, die dem Befund entsprechend als Karl IV. und seine drei geistlichen Erzkanzler gedeutet werden müssen. 1517 notierte der Kanonikus Franz Sluyn von Reinbach, daß Personen aus der antiken, biblischen und mittelalterlichen Geschichte zum Figurenprogramm des Saales gehört hätten. Die Texte auf ihren Spruchbändern hätten die Ratsherren aufgefordert Gerechtigkeit, Gleichheit im Recht, Milde als Herrschende, die Eintracht der Gemeinde und andere Tugenden zu beachten.
So deuten die schriftlichen und bildlichen Quellen darauf hin, daß mit der künstlerischen Ausgestaltung des Langen Saales, der Emanzipationswille der Bürger von ihrem Stadtherren und die städtische Selbständigkeit unter der Obhut des Reiches zum Ausdruck kommen sollte. Unsere Fragmente waren demnach eingebettet in ein Bildprogramm, daß als Reaktion auf das aktuelle Zeitgeschehen, immer wieder gegen den Erzbischof und mit Hilfe des Kaiser die Reichunmittelbarkeit anstrebte.
Unseren Wandmalereien kommt aber nicht nur als Zeugnis des frühen Emanzipationswillen der Kölner Bürger eine hohe Bedeutung zu, sondern auch die hier verwandte Technik verdient Beachtung. So hat der Maler nicht die übliche Freskotechnik für seine Wandmalereien benutzt, sondern eine mehrschichtige Temperatechnik. In der Freskotechnik malt der Künstler auf nassen Kalkmörtelputz, so daß die Farben mit dem Putz trocknen und in ihm gebunden sind. Der Maler ist zeitlich an den Trocknungsprozeß des Putzes gebunden. Anschließende Korrekturen sind schwierig. Im Gegensatz hierzu werden in der Temperatechnik die Farbpigmente mit Wasser vorgerieben und mit etwa der gleichen Menge Bindemittel vermischt. Diese Farben können dann auf einen trockenen Untergrund aufgetragen werden. Durch das Auftragen der Farben in mehreren Schichten kann der Maler Volumen formen und Änderung hinzufügen. Diese Technik steht der Tafelmalerei nahe.
Suchen wir nach vergleichbaren Wandmalereien, so stoßen wir auf die Chorschrankenmalerein des Kölner Doms. Auch sie sind in Temperatechnik gemalt und der Maler hat sich gleichfalls der stilistischen Möglichkeiten dieser Technik bedient. Auch hier wird das Volumen der Figuren und Köpfe durch die Linie betont. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde die Linie eingesetzt um die Umriße der Figuren hervorzuheben. Die Maler der Rathaus- und der Chorschrankenmalereien hingegen setzten die Linie ein um Flächen zu betonen, so wie sie es in der Wiedergabe der Haar- und Bartbehandlung beobachten können.
K. Kwastek