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Bild der 45. Woche - 5. bis 11. November 2012
Was zunächst nach einer pässlichen Lösung für alle momentanen Haushaltsprobleme der rheinischen Metropole aussieht, ist tatsächlich eine der markantesten Überbleibsel einer der größten wirtschaftlichen Krisen der letzten 100 Jahre: die Hyperinflation zwischen 1914 und 1923. Das Besondere an dieser Krise war, dass Kommunen (und auch Firmen) die Erlaubnis erhielten ihr eigenes Geld zu drucken, weil die Reichsbank mit dem Druck nicht mehr nachkam. Im Mittelalter war die Herstellung von Münzgeld durch die reichsfreie Stadt Köln nichts Besonderes. Und auch in der Neuzeit – genauer bis 1793 – gab es Kölner Geld. Doch durch die politischen Umwälzungen (Franzosenzeit, Preußische Zeit, Reichsgründung) fiel die Geldproduktion in den Aufgabenbereich der zentralen Regierungen, denen die Stadt Köln unterstand. Als am 1. November 1923 die Rentenmark eingeführt wurde (ausgegeben wurden die Scheine erst um den 20. November), hatte sie einen festgesetzten Kurs von 1 zu 1 Billion Mark. Die Mark, die seit 1871 offizielles Zahlungsmittel gewesen war, und die „Notgelder“ von rund 4.500 geldausgebenden Stellen in Deutschland hatten in den vorangegangen Jahren – insbesondere aber 1922/23 – so erheblich an Wert verloren, dass eine Währungsumstellung im Herbst 1923 unumgänglich geworden war. Nur neun Jahre zuvor war der Beginn des Ersten Weltkrieges (auch in Köln) euphorisch gefeiert worden. Doch schnell machten sich die Konsequenzen der entgegen aller Erwartungen lange andauernden und intensiven „Materialschlacht“ an der Westfront im Deutschen Reich bemerkbar. Die gesamte Wirtschaft war auf Kriegsproduktion umgestellt worden, Gegenstände des täglichen Gebrauchs und Nahrungsmittel wurden knapp. Die Bürger wurden aufgefordert, ihr Gold sowie ihre Messing- und Kupfergegenstände abzugeben, um die Kriegsproduktion zu unterstützen. „Gold gab ich für Eisen“ – der zu diesem Zweck ausgerufene Slogan prangte auf eisernen Plaketten, Ringen und Tafeln. Und auch das Metallgeld wurde knapp, denn durch die kriegsbedingte Verknappung der Metalle stieg der Wert der Münzen bisweilen über den darauf geprägten Nominalwert. Viele Bürger „hamsterten“ Münzen entgegen aller Aufrufe, die dies als „unnationalistisch“ zu verunglimpfen suchten. 1916 wurde Kupfer- und Nickelgeld (für die Rüstungsproduktion) eingezogen und die Ersatzmünzen aus Zinn und Eisen konnten nicht schnell genug bereitgestellt werden. Anfang des Jahres 1917 beschlossen die Kölner Stadtverordnenten, dass 2 Millionen 10-Pfennig-Scheine (insgesamt also 200.000 Mark) gedruckt werden sollten, um dem Kleingeldmangel entgegenzuwirken. Auch 50-Pfennig-Scheine wurden später gedruckt. Metall für Münzen war laut dem Stadtverordneten Louis Hagen „überhaupt nicht zu haben“. Die Reichsbank hatte dieses Vorgehen zwar nicht ausdrückliche erlaubt, duldete es aber stillschweigend, wohl auch aus einem Mangel an Alternativen. Dieses Münzersatzgeld wurde in Köln (und in anderen Städten) in mehreren Serien gedruckt, die sich zu beliebten Sammlerobjekten entwickelten. In Köln gab es z.B. eine Serie mit Roten Funken und eine mit Kölner Sagen. Oftmals war der Kaufpreis dieser Serien höher als der aufgedruckte Wert, manche Serien wurden sogar erst nach Ablauf ihrer Gültigkeit verkauft. Die Kleingeldersatzscheine wurden im Juli 1922 von staatlicher Seite verboten. Doch die große Phase des Notgeldes stand erst noch bevor. Neben den Kosten für den Krieg kamen nach 1918 durch den Friedensvertrag von Versailles noch die hohen Reparationszahlungen und die Kosten der Demobilisierung hinzu. Das Deutsche Reich war pleite und deckte die Kosten, indem die Reichsbank mehr und mehr Geld in Umlauf brachte – und damit dessen Entwertung beförderte. Böse Zungen behaupten, dass die Regierung die Inflation billigend in Kauf nahm, um der Welt zu zeigen, dass die als unfair empfundenen Reparationen zu hoch angesetzt waren und die deutsche Wirtschaft zerstörten. Doch die Reichsbank kam mit dem Druck des Geldes erneut nicht mehr nach und ab 1920 druckte auch die Stadt Köln wieder ihre eigenen Scheine, diesmal aber höhere Beträge von anfänglich 20 bis 100 Mark, ab 1922 auch 500 und 1.000 Mark. Das Geld wurde Ende 1922 wieder in Noten der Reichsdruckerei getauscht, doch schon 1923 gab es erneut einen Engpass. Zunächst gab es Scheine von 5.000 und 10.000 Mark, im Laufe des Jahres Hunderttausend, Millionen, Milliarden und Billionen Markscheine. Der 100-Billionen-Schein war der dem Nominalwert nach größte, den die Stadt Köln emittierte. Die rasche Geldentwertung trieb unzählige Menschen in den Ruin. Vor allem Arbeiter ohne Besitz konnten von ihrem Lohn kaum noch leben: Der Verdienst eines städtischen Arbeiters mit Frau und zwei Kindern für den Zeitraum 29. September bis 5. Oktober 1923 wurde auf 48 Millionen Mark festgelegt. Am 1. Oktober 1923 kostete ein Kilogramm Schwarzbrot 10 Millionen, ein Kilogramm Kartoffeln 5 Millionen und ein Kilogramm Butter 200 Millionen Mark. Entsprechend lang waren die Schlangen an Suppenküchen und Nahrungsmittelausgabestellen. Doch auch für die Mittelklasse, die Geld zu Seite gelegt hatte, wurde die Inflation zu einem Fiasko: Plötzlich war das gesparte Geld nichts mehr wert und die Wirtschaftkrise trieb viele Menschen in die Arbeitslosigkeit. Zwischen 1918 und 1923 vervierfachte sich die Zahl der wohlfahrtsbedürftigen Personen in Köln auf 16.000. Die einzigen Inflationsgewinner waren diejenigen, die sich kurze Zeit vorher größere Mengen Geld geliehen und es in wertstabile Immobilien investiert hatten. Denn auch die Schulden waren ja nun nichts mehr wert. Über die Hauszinsteuer versuchten die Länder anschließend diese Inflationsgewinne abzuschöpfen. Die laufenden Mieteinnahmen von Privatleuten wurden mit 20–40 Prozent besteuert, je nach Höhe der Verschuldung am Stichtag 31. 12. 1918. Die Einnahmen der Steuer wurden zunächst in den öffentlich finanzierten Wohnungsbau investiert und machten bis zu 10 Prozent des gesamten deutschen Steueraufkommens aus. Oft wird fälschlicherweise behauptet, dass die Rentenmark 1924 von der Reichsmark abgelöst wurde. Die Rentenmark hatte aber den Zweck, zunächst die Mark und ab 1924 die Reichsmark zu stabilisieren. Sie blieb zudem eine Binnenwährung (nur innerhalb des deutschen Staates gültig) und wurde wie die Reichsmark erst 1948 von der Deutschen Mark ersetzt. Tatsächlich handelte es sich bei der Rentenmark nicht um ein gesetzliches Zahlungsmittel, sondern erneut um einen Geldersatz, der aber im Gegensatz zur Mark durch den Grundbesitz von Unternehmern, Grund- und Hausbesitzern (die sogenannte Grundschuld) gedeckt war und der deshalb auch sofort ein großes Vertrauen in der Bevölkerung genoss. Noch heute ist die Inflation ein Schreckgespenst für Viele und weckt Assoziationen an Suppenküchen und Verelendung. Doch für Deutschland hat die unlängst erfolgte Entwertung des Euro durch die Finanzkrise jedoch fast nur positive Konsequenzen gehabt: Für außereuropäische Investoren sind Produkte aus Deutschland derzeit günstiger zu haben, der Außenhandel brummt, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Steuereinnahmen sind auf Rekordniveau. Alternativgeld gibt es im Übrigen auch heutzutage wieder recht häufig. Es ist allerdings kein Ersatz für fehlende offizielle Zahlungsmittel, sondern ein Instrument zur Stärkung der regionalen Wirtschaft. Das sogenannte „Regiogeld“ bleibt aufgrund seiner nur regionalen Gültigkeit dem Geldkreislauf der Region erhalten und kann nicht ins Ausland verschoben oder an Finanzmärkten investiert werden. Zudem stellen verschiedene Mechanismen den Umlauf des Geldes sicher, was die Kumulation von großen Geldmengen in den Händen weniger vereitelt: Durch einen negativen Zins verliert z. B. der „Chiemgauer“ alle drei Monate zwei Prozent seines Wertes und wird nach vier Jahren ungültig. Wer ihn schnell ausgibt, spürt davon nichts, wer ihn behält, steht irgendwann mit leeren Händen da.
S. Pries