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Bild der 4. Woche - 22. bis 28. Januar 2007
Auf dieser Ansicht erscheint das Kölner Hotel „Prager Hof“ am Neumarkt mit südländischem Ambiente. Der englische Aquarellist und Lithograph Samuel Prout (1783–1852) bereiste in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts den Kontinent. Seine dort gefertigten, überaus romantischen Ansichten wurden von Charles Hullmandel verlegt. Das rege Treiben vor dem Hotel erinnert daran, dass das Gebäude einer der prunkvollsten ‚Höfe‘ von Köln war. Der Reichstag von 1505, der in Köln stattfand und bei dem die angereiste ‚Prominenz‘ bei Kölner Bürgern untergebracht werden musste, rief unangenehm in Erinnerung, dass es keinen geeigneten Palast gab, um höchste Würdenträger angemessen unterzubringen. Schon 1504 hatte Kaiser Maximilian angeordnet, in Köln einen Bau zu errichten „mit ausgeladenen Fenstern, Erkern und Körben nach Inhalt eines Musters und einer Conterfeyung [Zeichnung], wie wir demselben Casio darum überantwortet und zugeschickt haben“. Casio – das war der kaiserliche Rat und Rechenmeister Nicasius Hacqueney, Sproß einer reichen Kölner Familie. Er folgte dem kaiserlichen Befehl und erwarb – u. a. auch als Vermögensanlage – geeignetes Bauland am Neumarkt. An dessen Nordseite lagen die Höfe Heydenrich und Schorensteyne, die seit 1440 im Besitz der Grafen von Moers waren. Durch Verschuldung gelangte der Besitz schließlich 1507/08 an Nicasius Hacqueney, der dem Wunsch des Kaisers folgte und dort 1508–1510 einen Neubau im Stil vom Übergang von der Spätgotik zur niederländischen Frührenaissance errichten ließ. Dieses Gebäude wurde in Köln bald als Palatium oder offiziell als „Kayserlicher Majestät Hof“ bezeichnet. Hier stieg der Kaiser bei seinen offiziellen und häufigen inoffiziellen Besuchen ab. Johann Haselberg besingt in seinem Lobgedicht auf die Stadt 1531 „des Keysers haus“, in dem Fürsten und Herren ein- und ausgehen und wo man in Saus und Braus lebe. Ansonsten residierte hier der kaiserliche Rechenmeister. Auf der Stadtansicht des Anton Woensam von 1531 (s. Bild rechts) ragt der Turm des Palastes als „C. Pallacivs“ vor St. Aposteln in den Kölner Himmel und auf dem Mercatorplan von 1571 trägt die benachbarte Straße die Bezeichnung „Casius gaß“. Das Gebäude wurde als dreiflügelige Anlage nach niederländischem Vorbild errichtet. Am westlichen und östlichen Flügel befand sich je ein reich geschmückter Erker; der östliche, zum Neumarkt hin, im Stil der brabantischen Spätgotik, ist auf unserer Darstellung zu erkennen. Ein dritter Erker zur Olivengasse enthielt die Hauskapelle. Eine für Köln bedeutsame Neuerung war der 28 Meter hohe Treppenturm, der erste Kölns, dem bald weitere folgten. Der repräsentative Turm mit Wendeltreppe und Laterne wurde im Winkel von zwei Hofflügeln errichtet. Die Brüstung der Laterne zeigte die verschiedenen Wappen des Kaisers, den ursprünglich steilen Helm zierte ein Reichsadler mit Wetterfahne. Die Verbindung in den Brabanter Raum verwundert nicht – die enge Verbindung zum Hof der Habsburger findet sich hier wieder. Die Familie Hacqueney gab auch den von ihr gestifteten Lettner in St. Maria im Kapitol in Mecheln in Auftrag und brachte die Stadt überhaupt als erste in Kontakt zur Frührenaissance. Spätere Zeitgenossen wie Georg Braun oder Arnold Buchelius rühmten den Haqueney’schen oder Nicasiushof, der nach seiner Vollendung alles bis dahin in Köln gesehene in den Schatten stellte. Auch seine Innenausstattung muss beachtenswert gewesen sein, sie ist aber heute weitgehend unbekannt. Eine Erdgeschossstube im westlichen Flügel diente als Bibliothek und Kontor. Die Decke hatte ein Sterngewölbe mit dem Familienwappen, der Boden war mit Wappenfliesen belegt (heute im Kölnischen Stadtmuseum), die Fenster zierten prachtvolle Glasgemälde, vermutlich von Hermann Pentelinck. Im oberen Stockwerk waren große Säle mit Kaminen für die Gäste eingerichtet worden. Nicasius hatte die Absicht, aus seinem Anwesen einen Stammsitz der Familie Hacqueney zu machen. Da er selbst trotz zweier Ehen kinderlos blieb, fiel der Besitz 1518 an seinen jüngeren Bruder Georg, auch er dem kaiserlichen Hof verbunden. Dieser hatte drei Töchter, an die das Erbe nach 1524 zu gleichen Teilen ging. Das Anwesen wurde in einen westlichen und einen östlichen Teil geschieden, der östliche Bereich wurde von der mit dem Bürgermeister Constantin von Lyskirchen verheirateten Elisabeth bewohnt. Dieser Bereich gelangte in französischer Zeit an den Hotelier Wirtz, der in Haus Nr. 4799 einen neuen Festsaal und eine neue Fassade mit Balkon errichtete. Um 1800 wurde in Haus Nr. 4798 von den Eheleuten Selb - Port der Gasthof „Zur Stadt Prag“ oder „Prager Hof“ eingerichtet. 1822–1826 befand sich hier der “Gasthof zum großen Englischen Hof“ von B. Taurel. Der westliche Teil, zu Beginn des 18. Jahrhunderts erneuert, fiel 1835/36 der Anlage der Richmodisstraße zum Opfer. Der übrige Besitz ging an die Firma P. G. Heuser, die nach Plänen von Josef Felten eine neue Fassade errichten und den Turm erneuern ließ (s. Bild rechts). 1928 wurde alles abgebrochen, der Turm wieder neu erbaut. Heute erinnern nur noch die beiden Pferdeköpfe aus dem Hacqueney’schen Wappen an die historische Bedeutung der Adresse „Neumarkt 8–10“ (s.).
R. Wagner