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Bild der 30. Woche - 26. Juli bis 1. August 2004
David Gilmour Blythe’s „Stilleben mit Kinderspielzeug“ ist ungewöhnlich im Reigen der anderen ausgestellten Arbeiten in der aktuellen Sonderausstellung des Wallraf-Richartz-Museums – Fondation Corboud. Auf den ersten Blick fallen die wahllos arrangierten und zum Teil abgenutzten Gegenstände auf. All diese Dinge sind schnell in einen erzählenden Zusammenhang zu bringen, denn das meiste von dem Gezeigten könnte aus dem Besitz eines kleinen Jungen stammen. Dargestellt sind Ball, Murmeln, Maultrommel, Feuerkracher und eine kleine Kindertrompete, Zuckerstangen, ein angebissener grüner Apfel, ein Taschenmesser und Kordelschnüre. Das ziemlich ruinierte Schulheft und die hinter Rosen versteckt liegende Schiefertafel deuten an, dass der vermeintliche Besitzer dieser Dinge in die Schule geht. Man könnte sich vorstellen, dass die auf dem Stilleben zusammengestellten Dinge einem jener Jungen gehören könnte, wie sie der Künstler in einer ganzen Werkreihe gemalt hat. Dort tauchen die auf dem Stilleben zu findenden Gegenstände ebenfalls auf. Diese Kinder sind keine aus wohlhabendem Haus sondern eher Staßenbengel, wie sie aus den Erzählungen von Charles Dickens stammen könnten. Blythe, 1815 in Ohio geboren, durchlebte als Portraitist und Genremaler die Vorzeit des amerikanischen Bürgerkrieges und den Krieg selbst. Viele seiner Genrebilder schildern den Alltag bisweilen in satirisch überzeichneter Form. Blythe gilt daher als der amerikanische William Hogarth. Auch unser kleines Stilleben offenbart Anspielungen auf Zeitbezüge: die Feuerkracher und die kleine Trompete, mit denen die Buben in vielen seiner Bilder spielen, nehmen das vorweg, was auf den Schlachtfeldern des Bürgerkrieges die Welt der Erwachsenen bestimmen wird. Die Dinge auf dem Stilleben sind nicht wertvoll, aber sie sind dennoch Kostbarkeiten in einem anderen Sinne. Es sind wertvolle Erinnerungen aus Kindertagen, wie sie aus der Sicht eines alternden Menschen gesehen werden können. Mystische, aus Wolken hervorbrechende Lichtstrahlen beleuchten das helle Feld mit den Relikten einer Kindheit, geschmückt mit Rosenblüten, die die bedeutungsgeladene Dingwelt mit Melancholie umschmeicheln. Das Stundenglas unterstreicht diesen Gedanken und stetig rieselt der Sand auf den noch fast leeren gläsernen Boden und erinnert an die eigene Sterblichkeit. Fünfzigjährig starb Blythe 1865.
K. Rottmann